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Für Besucher der NSA gilt beschränkter Zutritt. Umgekehrt will die NSA mittels Quantentechnologien auch noch Zugang zu jenen Daten erhalten, die besonders gut verschlüsselt sind.

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Wenig erstaunt über die NSA: Anton Zeilinger.

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Washington/Wien - Anton Zeilinger war nicht wirklich erstaunt darüber, was dank Edward Snowden in den vergangenen Monaten über die Aktivitäten des US-Auslandsgeheimdienstes NSA ans Licht der Öffentlichkeit gelangte. "Verblüfft hat mich eigentlich nur die Dreistigkeit, mit der die Agentur, deren Namen ich jetzt am Telefon besser nicht nenne, allem Anschein nach zu Werke ging", sagt der Physiker im Interview mit dem STANDARD.

Auch die neue Enthüllung, dass auch die NSA an einem Quantencomputer arbeite, sei in der Scientific Community längst ein offenes Geheimnis gewesen. Wie die Zeitung Washington Post am Donnerstag berichtete, sei dieses Projekt Teil eines mit umgerechnet rund 60 Millionen Euro dotierten Forschungsprogramms, das den unzweideutigen Titel "Penetrating Hard Targets" trägt, also in etwa: "in schwierige Ziele eindringen".

Der Geheimdienst könnte sich mit der Quantencomputertechnologie, die sich wohl auch bei der NSA noch in einem frühen Entwicklungsstadium befindet, umfangreichen Zugriff auf Bank-, Gesundheits-, Regierungs- oder Wirtschaftsnetzwerke verschaffen. Denn damit seien so gut wie alle konventionellen Verschlüsselungen zu knacken.

Anton Zeilinger bestätigt zwar, dass man damit die meisten konventionellen Verschlüsselungen überwinden kann, vor allem jene, die auf Primzahlen beruhen. Ob damit aber wirklich sämtliche konventionellen Systeme zu knacken sind, wage er zu bezweifeln, auch wenn er kein Experte in diesem speziellen Bereich sei.

Für den Quantenphysiker, der seit kurzem Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist, bestätigt die jüngste Meldung indirekt, dass er und seine Kollegen in Wien und Innsbruck sich auf dem richtigen Weg befinden: "Denn wenn auch die NSA daran glaubt, dass Quantencomputer einmal funktionieren werden, dann muss wohl was dran sein."

Eine offene Frage des neuen Zeitungsberichts war, ob die NSA damit weiter sei als andere Forschungsteams an Universitäten. So wie andere Experten auch bezweifelt das Zeilinger. Im Übrigen sei es ein anderes offenes Geheimnis unter Quantenphysikern, dass auch europäische Projekte zum Quantencomputer mit militärnahem Geld aus den USA - insbesondere von der Darpa, dem Forschungsfonds der US-Streitkräfte - finanziert würden.

So gut wie gar nicht gingen die neuen Enthüllungen in der Washington Post hingegen auf einen anderen Aspekt der Quantentechnologie ein: jenen der abhörsicheren Verschlüsselung, an der Zeilinger mit einem seiner Forschungsteams seit Jahren experimentiert. Die sogenannte Quantenkryptografie, die auf quantenphysikalischen Phänomenen beruht, verunmöglicht es, Verschlüsselungen zu knacken, ohne dass es Sender und Empfänger merken.

Hat der NSA-Skandal eigentlich zu einem größeren Interesse der Wirtschaft oder der Politik an Zeilingers Projekt geführt? Der Forscher verneint und berichtet von der Begegnung mit einem einflussreichen Banker, "dessen Namen ich hier natürlich nicht nenne". Der habe ihm gesagt, dass man natürlich von den Vorteilen der Quantenkryptografie wisse. Man habe aber so viel Geld in die gängigen Verschlüsselungssysteme investiert, dass man denen weiterhin vertraue. "Dort denkt man leider sehr konservativ, und es fehlt wohl noch der große Schadensfall, ehe man dort umdenkt", so Zeilinger.

Mehr Interesse an seinen Projekten habe man da schon in China, sagt Zeilinger und verweist auf eine im vergangenen Mai gestartete Kooperation, die erstmals Quantenkryptografie-Experimente mit einem Satelliten erlaube. "Das ist anscheinend auch in den USA registriert worden", so Zeilinger, "weshalb man dort auch die entsprechenden Pläne wieder aus der Schublade gezogen hat."

Empört ist der Quantenphysiker über die Art und Weise, wie man in Europa bisher auf den NSA-Skandal reagiert habe, nämlich gar nicht: "Das halte ich für ein schweres Politikversagen." Als Wissenschafter sei er davon überzeugt, dass alle Informationen allgemein zugänglich gemacht werden sollten: "Je mehr Öffentlichkeit, desto besser." (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 4.1.2014)