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Josef Staribacher im Jahr 2006.

Foto: apa/Guenter R. Artinger

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Der frühere Handelminister bei einem SPÖ-Parteitag 1995.

Foto: apa/Guenter R. Artinger

Wien – Er war ein Mann der vielen Spitznamen: Als "Happy Pepi" wurde Josef Staribacher zu einem der populärsten Minister der Regierung Kreisky, der er vom ersten bis zum letzten Tag angehört hat – fröhlich präsentierte sich der Minister für "Handel, Gewerbe und Industrie", wie die damalige Bezeichnung des Wirtschaftsministeriums lautete. Er war stets bemüht, gute Stimmung für die Wirtschaft zu machen.

Und das war 1970, als erstmals eine sozialistische Alleinregierung angetreten ist, durchaus notwendig – Teile des konservativen Österreichs waren über die Entwicklung ja ziemlich schockiert. Staribacher dämpfte den Schock durch seine Umgänglichkeit: Lächelnd setzte er in alter sozialpartnerschaftlicher Manier zu jeder sich bietenden Gelegenheit eine Kommission ein – und holte so die Exponenten des ÖVP-Wirtschaftsbunds an den Tisch.

Wobei Staribacher zwar als Fixstarter in einer SPÖ-Regierung gegolten hatte, die Funktion aber keineswegs vorgegeben schien. Man hätte ihn sich auch gut als Finanzminister denken können – das wurde 1970 Hannes Androsch und, viele Jahre später, Staribachers Sohn Andreas (1995-96). Und als Chef der Lebensmittelgewerkschaft hätte er womöglich auch ins Landwirtschaftsministerium gepasst – aber dieser Job war dem ÖGB zu leichtgewichtig.

Gewerkschafter als Handelsminister

Der Gewerkschafter als Handelsminister, das war ein Novum im seit 1945 - von der ÖVP geführten Ministerium -  doch "Stari", wie ihn seine Mitarbeiter nannten, wurde schnell populär. Bald kannte man ihn auch als "Energiesparmeister" und als begeisterter Sportler (der zeitweise mit dem Fahrrad von Wien zum Schifahren an den Schneeberg fuhr) prägte er den Slogan "Wanderbares österreich", was ihn auch zum Wandermeister der Nation machte.

Enge Freunde nannten ihn allerdings "Bauxerl"– das war sein Deckname als illegaler Sozialist unter dem Schuschnigg-Regime und unter der NS-Diktatur. Schon als Schüler einer technischen Mittelschule hatte sich der am 25. März 1921 geborene Politiker politisch engagiert – weshalb er relegiert wurde und eine Lehre absolvieren musste.

Überlebte KZ Buchenwald

Die Nazis steckten den sozialistischen Widerständler ins KZ Buchenwald. Staribacher überlebte, eine Jugendliebe, die im kommunistischen Widerstand war, starb unter dem Fallbeil. Dass die Kommunisten ihre besten Leute in oft sinnlosen Aktionen verheizten, hat Staribacher zum überzeugten Antikommunisten werden lassen. Aus dem KZ zurück heiratete er Gertrude, wurde umgehend zur Wehrmacht eingezogen, wo er ohne Waffe als Hilfskrankenträger diente. Eine schwere Verwundung ermöglichte ihm die Heimkehr und den Abschluss von Matura und Wirtschaftsstudium kurz vor Kriegsende.

Nach dem Krieg wurde Staribacher Experte der Arbeiterkammer, wo er sich den Spitznamen "Ziffernspion" verdiente: Er notierte sich alle Zahlen, hatte sie abrufbereit im Gedächtnis und fand mit schlafwandlerischer Sicherheit falsche Zahlenangaben, die sich in ein Dokument geschlichen hatten.

In der AK, der Gewerkschaft und im Ministerium war er für diese Akribie gefürchtet – wobei Kritik an vom pedantischen Chef aufgedeckten Fehlern stets milde ausfiel. Während er Politikwissenschafts- und Jusstudium weiter betrieb, baute er seine politische Karriere auf: Ein Standbein dafür war die Gewerkschaft der Lebens- und Genussmittelarbeiter (deren Chef er von 1960 bis 1989 war), das andere die SPÖ, für die er von 1961 bis 1983 im Nationalrat vertreten war. Das war die Zeit, als man im Hohen Haus noch ständig zwischen Ministerbank und Abgeordnetensessel hin- und herwechselte.

Mit dem Moped ins Ministerium

Staribachers Ministerzeit (in die unter anderem die Einführung des "Pickerls" für den "autofreien Tag" fiel), wurde von ihm selber minutiös dokumentiert: Er stand täglich um vier Uhr auf, diktierte seine Tagebuchaufzeichnungen vom Vortag und fuhr dann zu den ersten Gewerkschaftssitzungen, die typischerweise für sechs Uhr angesetzt waren. Um halb neun fuhr er (zeitweise mit dem Moped) ins Ministerium, wo er mit spartanischem Arbeitsstil und (für einen Politiker nicht leicht einzuhaltender Alkohol-Abstinenz) seinen Tages-Job machte. Die Tagebuchaufzeichnungen wurden von seinen Mitarbeitern wohl verwahrt, 15.000 Seiten umfassen sie und harren ihrer Aufarbeitung im Kreisky-Archiv. "Morgens habe ich immer geflucht", steht auf der letzten Seite und: "Ich habe sie hauptsächlich deshalb geführt, um meinen Mitarbeitern die beste Informationsmöglichkeit zu geben."

Mit dem Ende der Regierung Kreisky im Frühjahr 1983 endet das Tagebuch – aber Staribachers Karriere war noch nicht zu Ende. Mit damals 62 Jahren wäre er von Anton Benya (der gleichzeitig mit Kreisky gehen wollte) als Nachfolger an der ÖGB-Spitze vorgesehen gewesen. Aber der damals neue Kanzler Fred Sinowatz bat Benya, noch ein paar Jahre zu bleiben.

Staribacher, stets loyal zu Kreisky (auch und gerade in der Affäre um Hannes Androsch) und zu Benya, zog sich still in die zweite Reihe und galt in ÖGB-Bundesvorstand und ÖGB-Präsidium als verlässliche Stütze der Gewerkschaftsbewegung.

Am Sonntag starb Staribacher im 93. Lebensjahr an den Folgen einer Lungenentzündung. (Conrad Seidl, derStandard.at, 5.1.2014)