Das Oppo N1 ist mit einer Bildschirmdiagonale von 5,9 Zoll ein echter Riese.

Foto: derStandard.at/Georg Pichler

Die Rückseite könnte etwas rutschfester sein. Sie beherbergt auch das "O-Touch" genannte Touchpad.

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Als Zubehör findet sich unter anderem eine kleine, runde Bluetooth-Fernsteuerung namens "O-Click" im Lieferumfang.

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Das wohl herausragendste Merkmal ist wohl die um bis zu 206 Grad rotierbare Kamera-Konstruktion.

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Die vorinstallierte "Color OS"-Firmware unterscheidet sich optisch stark zu Stock Android, bietet ein paar interessante Erweiterungen, ändert aber nichts am grundsätzlichen Bedienkonzept des Google-Systems.

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Die Kamera erlaubt die Aufnahme von Bildern mit längerer Belichtungszeit. Unter Color OS kann diese auch manuell eingestellt werden.

 

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Nachtszene mit erhöhtem Kunstlichtanteil, aufgenommen im Nachtmodus...

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...und mit langer Belichtungszeit (automatische Konfiguration).

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Nachtszene mit langer Belichtungszeit (automatische Konfiguration).

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Aufnahme mit langer Belichtungszeit unter reduziertem Echtlicht (automatische Konfiguration).

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Nahaufnahme unter Kunstlicht mit langer Belichtungszeit (automatische Konfiguration).

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Nahaufnahme im Nachtmodus.

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Schönwetter-Panorama. Zu starker, direkter Lichteinfall bereitet auch der Kamera des Oppo N1 etwas Probleme.

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Schlechtwetter-Panorama.

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Der chinesische Smartphone-Hersteller Oppo erweitert sein Smartphone-Angebot. Im Frühjahr brachte man mit dem Find 5 eine interessante Alternative im Highend-Bereich auf den Markt, im Herbst folgte mit dem R281 ein Mittelklässler. Kurz vor Weihnachten landete nun auch das schon lange angeteaserte Oppo N1 am Markt – ein Android-Phablet, dessen auffälligstes Merkmal wohl die drehbare Kamera ist. Der WebStandard hat das Gerät ausführlich getestet.

Ausstattung

Der Smartphone-Riese kommt in einer schicken Verpackung daher. Neben dem Telefon gehören ein (sich von den Billig-Beilagen vieler anderer Hersteller angenehm unterscheidendes) In-Ear-Headset sowie Anleitung, Ladegerät und -kabel.

Ebenso dabei ist das Bluetooth-Gadget "O-Click", das unter anderem zum Fernauslösen der Kamera und dem Auslösen eines Audiosignals zum Auffinden des Gerätes verwendet werden kann. Das funktionierte auch zuverlässig, wenngleich es am Anfang Schwierigkeiten gab, die kleine Fernsteuerung mit dem Handy zu verbinden.

Sehr gute Verarbeitung

Das N1 selbst weist recht opulente Maße von 170.7 x 82.6 x 9 Millimeter auf, was hauptsächlich dem mit 5,9 Zoll Diagonale (rund 14,99 Zentimeter) üppig bemessenem Display geschuldet ist. Das Gerät wiegt relativ schwere 213 Gramm. Der Akku mit 3.610 mAh ist fix verbaut. Die Verarbeitung ist hochklassig, das gewählte Kunststoff-Material hinterlässt einen soliden Eindruck.

Hardware nicht ganz am letzten Stand

Im Inneren lässt Oppo einen Snapdragon-600-Chip mit 1,7GHz-Quadcore-CPU werken – Qualcomms Spitzenprodukt aus dem vergangenen Frühjahr, das beispielsweise auch bei der "westlichen" Variante des Samsung Galaxy S4 zum Einsatz kommt. Das Telefon bietet die üblichen Konnektivitäts-Funktionen (3G, WLAN, Bluetooth, NFC, Navigation per GPS) sowie 16 oder 32 GB Speicher und zwei GB RAM. LTE beherrscht das Handy nicht.

Rein von den Spezifikationen her hat man es also mit einem Vertreter des Highend-Bereiches zu tun, auch wenn einige andere Smartphones schon mit dem flotteren Snapdragon-800 daher kommen.

Gutes Display

Der Bildschirm des N1 bietet Full-HD-Auflösung (ca. 367 PPI), satte Farben und hohe Helligkeit, was sich positiv auf die Lesarkeit von Inhalten unter Sonnenlicht auswirkt. Wer bereits das Find 5 kennt, welches ebenfalls ein exzellentes Display mitbringt, wird auch hier nicht enttäuscht. Für die Kratzfestigkeit des IPS-Panels soll Gorilla Glass 3 sorgen.

Kamera mit Dreh

Über dem Bildschirm findet sich die einzige Kamera des Phablets. Diese liefert eine Auflösung von 13 Megapixel und beherrscht Full-HD-Videos (30 FPS) und HDR. Gute Ergebnisse bei schlechten Lichtergebnissen soll Oppos selbst konstruierte "N-Lens" ermöglichen. Der Clou: Der Sensor nebst Dual-LED-Blitz sitzen auf einem Gelenk und lassen sich bis zu 206 Grad frei drehen und verbleiben stabil in Position.

Somit kann in verschiedene Richtungen fotografiert werden, ohne das Gerät selber drehen zu müssen, auch für "Selfies" wird auf diesem Wege die gleiche Kamera verwendet. Ein Feature, das von Oppo intensiv beworben wird.

Integriertes Touchpad und Wake-up-Gesten

Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal verbirgt sich fast unsichtbar auf der Rückseite und nennt sich "O-Touch". Gemeint ist damit eine kleine, berührungsempfindliche Fläche, die die Bedienung des N1 erleichtern soll. Sie dient hauptsächlich zum Abwärts- oder Seitwärts-Scrollen, was vor allem beim Lesen von Texten und Betrachten von Galerien hilfreich ist, was sich auf diesem Wege bequem einhändig erledigen lässt.

Die Nutzung benötigt etwas Übung, geht aber letztlich gut von der Hand. Zusätzlich kann der Touchbereich auch eingesetzt werden, um die Kamera auszulösen. Grundsätzlich ist O-Touch eine nette Idee, bis auf die beschriebenen Anwendungsfälle hällt sich der Nutzen allerdings noch in Grenzen. In der Regel muss man das Riesen-Smartphone zweihändig bedienen.

Das Telefon versteht auch Gesten am ausgeschalteten Bildschirm. Ähnlich wie beim LG G2 lässt sich das Display per doppeltem Antippen einschalten. Wer einen Kreis am Screen malt, startet direkt in die Kamera-App. Weitere Gesten lassen sich einrichten und beliebigen Apps zuweisen.

Nicht für die Hosentasche

Immerhin lässt sich das N1 einigermassen komfortabel in einer Hand halten, die Rückseite hätte allerdings ruhig etwas rutschfester ausfallen können. Die Maße des Telefons sind auch beim Transport in der Hosentasche hinderlich, das Gerät lässt sich deutlich einfacher in der Jacke oder einer Umhängetasche unterbringen, ohne sich vor Beschädigungen fürchten zu müssen.

Bei der Platzierung der Tasten hat Oppo mitgedacht. Sowohl Lautstärkewippe als auch der Ein-/Aus-Schalter finden sich auf der rechten Seite in gut erreichbarer Höhe.

Color OS

Softwareseitig läuft am Oppo N1 Android 4.2 in der Eigenbau-Variante "Color OS", es ist allerdings auch in einer limitierten Fassung mit vorinstalliertem Cyanogenmod erhältlich, selbiges lässt sich aber auch problemlos anstelle von Color OS installieren. Cyanogenmod ist eine alternative Android-Firmware, die das Basis-System um eine Reihe von Features und Einstellungsmöglichkeiten erweitert.

Oppos Interpretation von Android setzt auf Eigenbau-Icons und ersetzt einige Menü-Oberflächen und Standard-Apps. Dabei sind durchaus interessante Ideen dabei, etwa die ausklappbare Einstellungsleiste im Benachrichtigungs-Bereich oder die gut gegliederten Systemeinstellungen.

Der ästhetische Unterschied zu Stock Android fällt zwar relativ groß aus, in puncto Bedienung halten sich die Abweichungen allerdings in Grenzen. Wer sich auf einem unveränderten Android-System zurechtfindet, kommt auch schnell mit Color OS zurecht. Zugang zum Play Store ist natürlich vorhanden, Inhalte können auf Wunsch auch auf Oppos Cloudservern gesichert werden.

Scharnier als potenzieller Schwachpunkt

Ausführlich getestet wurde natürlich die Kamera. Hier sei vorab gesagt, dass die Verwendung eines mechanischen Scharniers natürlich einen potenziellen Schwachpunkt darstellt. Leiert dieses aus, wird das Fotografie-Vergnügen dank entsprechender Wackelbewegungen mit Sicherheit empfindlich getrübt.

Während des Tests allerdings traten keine Probleme auf, Oppo selbst verspricht, dass man die Kamera eine Million mal hin- und herbewegen können soll, ohne das entsprechende Verschleißerscheinungen auftreten. Hier wird sich erst im Laufe der Zeit zeigen, wie ernst dieses Versprechen zu nehmen ist.

Gute Fotos unter Tageslicht

Bei guten Lichtbedingungen unter Tags liefert das Oppo N1 ordentliche Bilder. Die Qualität liegt dabei am Niveau des Galaxy S4, dessen Kamera durchaus überzeugen konnte Generell gelingen Aufnahmen mit satten und realistischen Farben und guten Kontrasten, wenngleich bei entfernten Objekten oft kleinere Details verschwinden. Ihre großen Stärken spielt die Kamera des N1 allerdings erst ab der Dämmerung aus.

So stehen für Aufnahmen bei wenig Echtlicht vor allem zwei Modi zur Verfügung: Nachtbild und lange Belichtung. Ersterer optimiert die Aufnahmen ausschließlich softwareseitig und ermöglicht mit kurzer Verschlusszeit flotte Schnappschüsse mit meist tauglichen Resultaten.

Nachtschwärmer

Für Smartphone-Verhältnisse beeindruckende Fotos entstehen aber erst, wenn man zur längeren Belichtungszeit umschaltet. Hier nutzt das Gerät entweder einen voreingestellten oder automatisch ermittelten Zeitraum, um mehr Licht einzufangen.

Als Ergebnis stehen Bilder mit guter Schärfe und reduziertem Rauschen zu Buche, wobei die automatische Zeitwahl fast immer das optimalste Resultat erzeugen. Bessere Bilder dürften im Smartphone-Bereich aktuell nur Nokias Lumia-Flaggschiffe liefern. Allerdings lassen sich in diesem Modus naturgemäß keine bewegten Objekte sauber einfangen, außerdem benötigt man eine solide Unterlage für das Handy, sofern man nicht über extrem ruhige Hände verfügt.

Fehlende Befestigung

Die Drehbarkeit der Kamera macht das Fotografieren flexibler. Unverständlich ist allerdings, wieso das N1 nicht einmal über ein kleines Gewinde oder eine andere Lösung zur Anbringung an einem Stativ verfügt. Nicht in jeder Situation lässt sich für längere Belichtung eine geeignete Unterlage für das Gerät finden, was insbesondere Aufnahmen im Landscape-Modus erschwert.

Kamera-App

Oppos eigene Kamera-App liefert ein weitgehend brauchbares Interface, ist aber manchmal seltsam übersetzt. Nimmt man mit langer Belichtungszeit auf, ist etwa von einer Videoaufnahme die Rede, obwohl tatsächlich ein Foto geschossen wird. Rotiert man die Kamera auf die Frontseite, werden zusätzliche Optionen für Selfies angezeigt. Dazu stehen eine Reihe verschiedener Szenenmodi zur Auswahl.

Einfache Cyanogenmod-Installation

Das Oppo N1 ist das erste Telefon, das offiziell vom Cyanogenmod in Form einer Partnerschaft unterstützt wird. Dementsprechend bietet der Hersteller selbst die Alternativ-Firmware auf seiner Homepage zum Download an. Geübteren Nutzern fällt die Installation über die Touch-Recovery des Gerätes leicht, aber selbst Einsteiger dürften sich nach etwas Recherche zurecht finden

Prinzipiell reicht es, die in Form eines ZIP-Archivs vorliegende Firmware herunterzuladen, auf den Gerätespeicher zu spielen und in die Recovery zu starten. Dort muss nur noch ein Factory Reset durchgeführt und besagte ZIP-Datei eingespielt werden. Nach einem Neustart erwartet den Nutzer anstelle von Color OS die Stock Android-Oberfläche von Cyanogenmod 10.2.

Getestet wurde mit dem Release vom 26. Dezember 2013, der laut Angaben am 15. Dezember kompiliert wurde.

Flotteres Interface mit alternativer Firmware

Das System basiert hier auf Android 4.3 und ist im Kern damit aktueller als Oppos eigene Software. Was nach dem Wechsel unmittelbar auffällt ist, dass das Steuern durch die Oberfläche, wohl aufgrund weniger Grafik-Spielereien, spürbar flüssiger von der Hand geht. Auch der Sprung in die Kamera-App über die "O"-Geste am ausgeschalteten Display erfolgt flotter, weil unter Cyanogenmod jene Animation ausgespart wird, die Color OS als Bestätigung anzeigt.

Benchmarks und Beobachtungen

Interessant ist ein Blick auf die Benchmarks. Beim Allround-Test mit Antutu schneidet Color OS mit rund 26.650 Zählern signifikant besser ab als Cyanogenmod mit rund 24.200 Punkten. Umgekehrt sieht es beim HTML5-Benchmark mit Vellamo aus: Hier übertrumpft die Alternativ-Firmware die des Herstellers mit über 2.400 zu exakt 2.000 Zählern. Im 3D-Test mit Epic Citadel ergibt sich kein relevanter Unterschied, hier erreicht das Gerät mit beiden Firmwares jeweils einen starken Schnitt von 59 Bildern pro Sekunde.

In der Praxis scheint das Oppo N1 beim Websurfen unter Cyanogenmod tatsächlich einen Tick flotter zu sein, als unter Color OS – insbesondere beim Aufbau komplexerer Seiten. Abgesehen davon ist in Sachen Performance – von der Menüoberfläche abgesehen – sonst keine Abweichung zu bemerken.

Cyanogenmod fehlen allerdings derzeit vereinzelte Einstellungen im Vergleich zum Color OS-ROM – darunter die manuelle Konfiguration längerer Belichtungszeit oder das Einrichten zusätzlicher Wake-up-Gesten.

Starker Akku

Bei den Grundfunktionen gibt sich das N1 keine Blöße: Die Hör- Sprachqualität bei Anrufen ist gut. Der Lautsprecher des Geräts, der neben Kopfhöreranschluss und microUSB-Buchse am unteren Rand sitzt, liefert zwar keinen überragenden, aber für Smartphone-Verhältnisse brauchbaren Sound, sofern man nicht zu laut aufdreht.

Die Empfangsstärke für 3G, GSM und WLAN überzeugt. Eine gute Figur macht auch der Akku. Selbst bei intensiverem Gebrauch schafft man es bei voller Ladung gut über den Tag, wobei sich natürlich die automatische Regelung der Display-Helligkeit empfiehlt. Dies gilt sowohl für Color OS als auch Cyanogenmod.

Fazit: Für Foto-Freunde

Oppo verkauft das N1 für 449 (16 GB) bzw. 479 Euro (32 GB) in Europa über seinen Online-Store. Ein durchaus stattliches Sümmchen, wenn man bedenkt, dass Googles Nexus 5 für weniger zu haben ist und in Sachen Performance mehr bietet.

Das N1 richtet sich allerdings primär an Kunden, die ein großes Display und eine gute Kamera verlangen, steht somit also mehr in Konkurrenz mit Geräten wie dem Samsung Galaxy Note 3. Dieses wiederum kostet mehr, bietet aber ebenfalls flottere Hardware sowie LTE und einen Digitizer. Dafür fehlen eine vergleichbare Kamera und eine einfache Möglichkeit, auf Cyanogenmod umzusteigen.

Wer sein Smartphone hauptsächlich als mobile Kamera mit angebundener Kommunikations- und App-Zentrale versteht, macht mit Oppos Neuling einen guten Kauf. Der Cyanogenmod-Support verspricht zudem eine langfristige Versorgung mit aktuellen Android-Updates.

Auch Oppo selbst liefert regelmäßig Aktualisierungen seiner eigenen Firmware und steht in regem Austausch mit seinen Usern.

Wer mit weniger Extravaganz in Sachen Bildaufnahme leben kann und lieber aktuellste Hardware besitzt, findet am Markt durchaus überlegenswerte Alternativen. (Georg Pichler, derStandard.at, 19.01.2014)