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In Österreich weit verbreitet: Melchior wird schwarz geschminkt

Foto: dpa/gentsch

Jährlich spazieren die drei Weisen Balthasar, Caspar und Melchior sternsingend durch die Straßen und segnen im neuen Jahr die Häuser römisch-katholischer Einwohner: C+M+B, christus mansionem benedictat. Einer der Weisen, Melchior, wurde im Laufe der Jahrhunderte von einem ursprünglich lediglich bärtigen zu einem dunkelhäutigen Mann, der den Kontinent Afrika symbolisieren soll. Und so wird dieser heute traditionell von weißen Menschen mit dunkler Schminke im Gesicht dargestellt. Ein guter Anlass, sich endlich auch in Österreich mit dem mehr als fraglichen Brauch des sogenannten Blackfacings zu beschäftigen.

Als Blackfacing bezeichnet man die Praxis, dunkelhäutige Menschen durch weiße darzustellen. Seine Wurzeln hat das Blackfacing im nordamerikanischen Varieté bzw. Vaudeville-Theater, das stark mit anstößigen und beleidigenden Stereotypen arbeitete. Aber noch heute ist es in Theater, Film und Fernsehen üblich, Charaktere, die dünklere Haut haben sollen, mit geschminkten weißen Menschen zu besetzen. Berühmte Beispiele sind etwa Shakespeares Othello oder Monostatos in Mozarts Zauberflöte.

Als Jim Knopf verkleiden

Kürzlich hat die Sendung "Wetten, dass..?" in ihrer Stadtwette dazu aufgerufen, dass Augsburger sich wie die berühmten Kinderbuch-Charaktere Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer verkleiden sollen. Jim Knopf kommt in Michael Endes Buch elternlos ins Lummerland, wo er eine Lehre beim ständig von Öl und Ruß verschmutzten Lokomotivführe Lukas macht. Jim hat dunkle Haut wie einer der Heiligen drei Könige: Der Waise stammt nämlich in 33. Generation von einem der Weisen ab.

Markus Lanz wies die Wett-Teilnehmer an: "Jim sollte natürlich schwarz geschminkt sein – Schuhcreme, Kohle, was auch immer." Und weiter: "Wir akzeptieren alles, wir nehmen Schuhcreme, alles, was so passt." Warum der von der Arbeit verdreckte Lukas keinen Ruß tragen musste, blieb offen. Die Gleichung lautete also: verschmutzt, verunreinigt, unrein = schwarzer Mensch. Prompt folgte ein antirassistischer Shitstorm auf Social-Media-Kanälen, zahlreiche Beschwerden gingen beim ZDF ein. Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland forderte in einem Offenen Brief eine Entschuldigung des ZDF. Die Krisenbewältigungsstrategie des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders: hartnäckiges Schweigen.

"Harmlose Späße"

Stattdessen standen apologetische Feuilletonisten der deutschsprachigen Medien schon bereit, die rassistische Praxis des Blackfacings im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu verteidigen. "Harmlose Späße" und "Tradition" hieß es da; unbedingte "Notwendigkeit", sonst könne man ja Jim Knopf (oder jeden anderen schwarzen Charakter) gar nicht erkennen. An dieser Stelle bietet sich die Frage an: Wären die Sternsinger als solche plötzlich unerkenntlich, nur weil einer eben nicht schwarz angemalt ist?

Die Tradition um die Heiligen drei Könige ist in Anbetracht des Ausmaßes dieser Praxis lediglich ein kleiner Teil des Problems. Trotzdem wird jungen Menschen damit sehr früh signalisiert, dass es in Ordnung sei, schwarze Menschen in dieser Form zu karikieren. Die Praxis des Blackfacings ist jedoch erstens wegen ihrer eindeutig rassistischen Geschichte abzulehnen. Und zweitens, weil sie (leider noch immer) der Unsichtbarmachung und dem Ausschluss dunkelhäutiger Menschen aus dem Kulturbetrieb dient.

Man könnte am Feiertag der Heiligen drei Könige all jener schwarzer SchauspielerInnen, SängerInnen und KünstlerInnen gedenken, die in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten nicht angestellt oder besetzt wurden, weil stattdessen ein weißer Mensch geschwärzt wurde. Jedes Mal, wenn ein Charakter, der dunkle Haut haben soll, von einem weißen Menschen mit Schminke dargestellt wird, wird eine bestimmte Botschaft vermittelt. Diese Botschaft heißt: Ihr habt hier keinen Platz, ihr könnt das nicht, ihr macht das nicht, ihr gehört hier nicht dazu. (Olja Alvir, daStandard.at, 7.1.2014)