Bild nicht mehr verfügbar.

Levinsky Park in Tel Aviv: Seit Tagen fordern afrikanische Migranten von Israel den Status politischer Flüchtlinge. In ihrer Heimat drohe ihnen Gefahr.

Foto: APA/EPA/Weiken

Die Bürger von Tel Aviv rieben sich die Augen, als sich da plötzlich Ströme schwarzer Demonstranten durch das Stadtzentrum wälzten. Dass viele Migranten aus Afrika in Israel leben, das hatte man ja seit Jahren gewusst, aber akut und sichtbar war das Problem im Alltag nur in gewissen ärmlichen Vierteln im Süden der Stadt oder in Eilat am Roten Meer.

Jetzt war da plötzlich eine gut organisierte Masse, die zum Platz vor dem Rathaus und zu ausländischen Botschaften marschierte und Rechte einforderte: "Wir sind Flüchtlinge!"  und "Wir brauchen Asyl!" , lauteten die Kernparolen. Und weil am Sonntag zugleich ein dreitägiger Streik ausgerufen worden war, kam in den Restaurants und Hotels, die inzwischen von illegal beschäftigten afrikanischen Arbeitern abhängig sind, der Betrieb ins Stottern.

Zu Hause droht Gefahr

"Wir sind hier, um elementare Menschenrechte zu verlangen", so ein Demonstrant. "Man darf uns nicht ins Gefängnis stecken."

Zum großen Teil sind es junge Männer aus dem Sudan und Eritrea, die auf dem Landweg durch Ägypten auf abenteuerliche Weise die israelische Grenze überschritten haben. Sie sehen sich als politische Flüchtlinge, weil ihnen in ihren Heimatländern Gefahr drohe. Statt sie festnehmen zu lassen, solle Israel für geordnete Asylprüfverfahren sorgen.

Aus der Sicht der israelischen Behörden sind die meisten Migranten aber Wirtschaftsflüchtlinge ohne Recht auf Asyl. Nach jahrelangem Wegschauen besteht die Antwort der Politik nun darin, dass sie systematisch nach und nach wieder heimgeschickt werden sollen. "Demonstrationen und Streiks werden nichts helfen" , sagte Premier Benjamin Netanjahu. "Wir sind entschlossen, jene wegzubringen, denen es gelungen ist, hereinzukommen, bevor wir die Grenze geschlossen haben."

Für Netanjahu ist es ein erster Erfolg, dass der Zustrom nun gestoppt ist. Weil im vorigen Jahr ein Zaun an der Grenze zu Ägypten fertiggestellt wurde, kommt kein Migrant mehr durch. Zuvor hatte Israel Migranten zwar nicht zurückgeschickt, sich aber auch nicht weiter um sie gekümmert.

Mehr als 50.000 Afrikaner, die in Israel leben, haben keinen rechtlichen Status, keine legale Arbeit und kaum medizinische Versorgung. Manche werden in die Kriminalität gedrängt, während umgekehrt alteingesessene Israelis in ärmlichen Bezirken, die von Migranten überschwemmt wurden, sich nachts nicht mehr aus den Häusern trauen.

Um die Städte zu entlasten, hat die Regierung eine Art Anhaltelager eingerichtet. Während ihr Status überprüft wird, bekommen sie dort eine Grundversorgung. Für viele ist es aber ein "Gefängnis" , weil sie auch gegen ihren Willen hingebracht werden können und sich jeden Abend zurückmelden müssen. Viel Aufmerksamkeit erhielten in den israelischen Medien nun Gastronomen und Hotelmanager, die jammerten, weil wegen des Streiks der Afrikaner niemand zum Tellerwaschen und Zimmerputzen da war. Das Argument, die Wirtschaft sei auf sie angewiesen, wollte das Innenministerium nicht gelten lassen: Die Betriebe sollten anständige Löhne zahlen, hieß es, statt Migranten auszunützen. (Ben Segenreich aus Tel Aviv /DER STANDARD, 8.1.2014)