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Grafik: APA

Wien/Budapest – Großes Theater um Raiffeisen in Ungarn. Die kleine teilstaatliche Széchenyi Kereskedelmi Bank hatte ein Kaufanbot für die ungarische Tochter der Raiffeisen Bank International (RBI) gelegt und erwartete bis Februar eine Antwort. Die Entscheidung der RBI unter Karl Sevelda kam schneller, noch am Mittwoch teilte das Institut mit, dass die Verkaufspläne nach genauer Prüfung unter den aktuellen Rahmenbedingungen derzeit nicht weiterverfolgt werden.

Milliardenspritze

Die RBI gab Mittwochabend gleichzeitig bekannt, dass zur Rückzahlung des staatlichen Partizipationskapitals von 2,5 Milliarden Euro eine Kapitalerhöhung geplant sei. Zeitplan und Volumen der Operation sind offen, in Aussicht genommen ist eine Kapitalaufstockung von 2 bis 2,5 Milliarden Euro. Die RBI-Aktien reagierten am Donnerstag im Eröffnungshandel an der Wiener Börse mit einem vorübergehenden satten Kursverlust von über acht Prozent. Erwartet wird bankseitig, dass diese angekündigte Transaktion zu einer signifikanten Erhöhung des RBI Streubesitzes führt. Der Streubesitz beträgt derzeit rund 21,5 Prozent, 78,5 Prozent hält die Raiffeisen Zentralbank RZB. Innerhalb der nächsten zwölf Monate könnte es überdies zu einer Emission nachrangiger Kapitalinstrumente kommen.

Ungarn muss warten

Keinen neuen Zeitplan gibt es für Ungarn. Die potenzielle Käuferin bot der RBI einen Preis von einem Euro. Wie die Ungarn darauf kommen: Die Bank der Österreicher habe in den vergangenen drei Jahren rund 650 Millionen Euro verloren, insgesamt aber im Land genauso viel verdient – die RBI ist seit 1987 in Ungarn präsent. Was aus österreichischer Sicht für den Verkauf spricht: Die Bank wäre auf einen Schlag die notleidenden Kredite in Ungarn los. Zudem wäre die schwache Eigenkapitaldecke entlastet.

Auch aus Sicht der rechtsnationalen Fidesz-Regierung würde der Verkauf der RBI-Tochter an Széchenyi Sinn machen. Mehrheitseigentümer der kleinen Bank (der Staat hält 49 Prozent am Institut) ist der Unternehmer István Töröcskei. Der Geschäftsmann zählt zu den 100 reichsten Ungarn und gilt als Fidesz-Intimus. Seit dem Antritt der Regierung Orban-II im Jahr 2010 wurde er in zahlreiche staatsnahe und teilstaatliche Unternehmen berufen. So sitzt Töröcskei im Aufsichtsrat des Energiekonzerns MOL, er ist zudem Vorstandsvorsitzender der Mavir, des ungarischen Stromnetzbetreibers und leitet die staatliche Finanzierungsagentur AKK, daneben besitzt er Anteile an der Zeitung Magyar Nemzet.

Über die Partnerschaft mit Töröcskei könnte die Fidesz ihrem Ziel näherkommen, den Anteil ausländischer Banken zurückzudrängen. Rund 85 Prozent des Bankensektors befinden sich derzeit in ausländischer Hand, neben RBI und Erste zählen die Bayrische Landesbank, die belgische KBC sowie die Italiener zu den Großinvestoren. Auch die größte Landesbank OTP ist mehrheitlich in ausländischem Streubesitz.

Einfluss im Finanzsektor

Die Regierung will den Bankensektor nicht verstaatlichen – derzeit verkauft der Staat sogar seine Anteile an der 2013 mehrheitlich übernommenen Takarekbank. Aber die Fidesz möchte ihren Einfluss im Finanzsektor ausweiten. So erwarb der Staat im Vorjahr 49 Prozent der kleinen Gránit Bank, die mehrheitlich im Eigentum des ebenfalls Fidesz nahen Großunternehmers Sándor Demján steht. Der zweite Teilerwerb betraf die Széchenyi Bank. Die Regierung ist der Ansicht, dass die ausländischen Finanzmultis für die Krise im Land mitverantwortlich sind – ein Teil der Bevölkerung leidet tatsächlich unter der Last durch die leichtfertig vergebenen Fremdwährungskredite.

Gegen den RBI-Deal sprach, dass die Österreich-Tochter in Ungarn seit drei Jahren in der Verlustzone feststeckt, 2012 waren es 174 Millionen Euro. Dass die RBI schlecht da steht, liege keinesfalls an der hohen Bankenabgabe – die RBI habe das Fremdwährungsgeschäft besonders aggressiv betrieben, sagt der Budapester Finanzanalyst Gergely Suppan. RBI beschäftigt in Ungarn 2700 Mitarbeiter und betreut 600.000 Kunden. (Renate Graber, András Szigetvari, DER STANDARD, 9.1.2014)