Nach den Maßstäben der reinen Lehre ist der Fall sonnenklar: Jan Krainer darf nicht Berater von Kanzler Werner Faymann werden. Als Nationalratsabgeordneter hat der SPÖ-Finanzsprecher Gesetze zu beschließen und die Regierung zu kontrollieren - und nichts im Machtzentrum der Selbigen zu suchen.

Allerdings existiert die perfekte Gewaltentrennung nur auf dem Papier. Längst sind die roten und schwarzen Vertreter der Legislative mit der Exekutive verbandelt, schließlich sind die Regierungsspitzen gleichzeitig ihre Parteichefs. Diese geben den Takt vor, die Parlamentsklubs hupfen hinterher - in der Regel, ohne öffentlich aufzumucken.

Im schlechtesten Fall funktionieren die Abgeordneten als perfekt geölte Abstimmungsmaschinerie, im besseren reden sie hinter den Kulissen mit, ehe Gesetze von oben durchgedrückt werden. So konnten Mandatare das Arbeitsprogramm der neuen Regierung mitverhandeln - laut Reinheitsgebot der Gewaltenteilung hätten sie das nicht tun dürfen. Doch wäre dem Parlamentarismus damit gedient?

Natürlich sähe das Ideal anders aus: mit üppigen Ressourcen ausgestattete Parlamentarier, denen ein neues Wahlrecht zu mehr Unabhängigkeit von den Parteien verhilft. Doch bis diese Revolution stattfindet, ist es verständlich, dass Mandatare wie Krainer versuchen, in schlampigen Verhältnissen Einfluss zu entfalten. Besser, der Kanzler hört Abgeordneten zu, als über sie drüberzufahren. (Gerald John, DER STANDARD, 10.1.2014)