Zwei tragische Harmonisten gegen den Rest einer Welt, die sich noch vorstellen kann, nicht ausschließlich im Regierungsprogramm der rot-schwarzen Koalition abgebildet zu sein, ja dass es über dieses hinaus noch etwas geben soll: Bundes- und Vizekanzler auf Abschmetterungs- beziehungsweise Beruhigungstour. Und das nicht etwa gegeneinander, wie das früher gelegentlich vorgekommen sein soll, sondern Arm in Arm gegen die Unzufriedenen in den jeweils eigenen Reihen. Kalendarisch leicht verspätet bürstete Michael Spindelegger mit seinem Outing, kein Christkind zu sein, westliche ÖVP-Sympathisanten einer Gesamtschule rüde ab, unterstützt von Werner Faymann, dessen Partei zwar seit langem für die Gesamtschule eintritt, aber doch nicht "auf Biegen und Brechen", wenn es Spindelegger Probleme bereiten könnte.

Bei diesem Ausstoß an Mitmenschlichkeit, der das Neue an einem auf fünf Jahre prolongierten alten Regierungsstil vortäuschen soll, handelt es sich um eine mehr bürokratisch als programmatisch abgestützte Realitätsverweigerung: Probleme, und seien sie noch so brennend, wie es die Bildungsfrage ohne Zweifel ist, dürften zunächst bis 2018 nicht einmal ansatzweise angegangen werden, wenn sie nicht wörtlich im Regierungsprogramm fixiert sind. Der Triumph, in dem Spindelegger darauf verweist, das Wort Gesamtschule komme im Regierungsprogramm nicht vor, entspricht der Mediationstaktik, die es Faymann geraten sein ließ, ja nicht auf seiner Aufnahme in den rasch kanonisierten Text zu bestehen, soll doch der Kern des neuen Regierens in der Maxime bestehen, "Streitereien braucht man nicht".

Geht es für die SPÖ in der Diskussion um die Gesamtschule nur noch um eine "Streiterei", die man ebenso gut lassen kann, wenn 's die Stimmung verdirbt? Glaubt die Ostachse in der ÖVP wirklich, außerhalb des Regierungsprogramms walte das Böse, und mit der Unterschrift darunter höre die Welt für fünf Jahre auf, sich zu drehen? Wenn Spindelegger nun mit dem Argument, im VP-Vorstand sei anderes beschlossen worden, als die westlichen Landeshauptleute nun verlangen, Parteidisziplin erzwingen will, wirft das eher die Frage auf, welchen Wert Beschlüsse dieses Gremiums unter Spindeleggers Vorsitz haben, als dass jene Ruhe eintreten dürfte, die er verordnen möchte.

Des ÖVP-Obmanns parteiamtliches Verbot, durch die Einrichtung von Modellregionen mit gemeinsamer Schule der unter Vierzehnjährigen eventuell gescheiter werden zu dürfen, wird nicht viel bewirken, wie man Landeshauptleute westlicher Bundesländer kennt. Dass er es fünf Jahre lang durchhält, ist selbst mit gütiger Unterstützung durch den Bundeskanzler ziemlich unwahrscheinlich. Die Begeisterung in den Landesparteien hielt sich in Grenzen, als es um Spindeleggers Ministerliste ging, nachdem er schon sein Wahlziel nicht erreicht hatte. Sein Versuch, mit originellen Besetzungen das Erscheinungsbild der Volkspartei aufzupolieren - etwa mit ihm als Finanzminister -, muss sich erst bewähren. Eine erste Gelegenheit dazu ist vielleicht die Regierungsklausur nächste Woche. Laut Spindelegger soll es um "Teambuilding" gehen. (Günter Traxler, DER STANDARD, 10.1.2014)