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Der neue Impfplan will bis 2015 Masern-Durchimpfungsrate von 95 Prozent bei den Zweijährigen erreichen.

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Die Masern "schielen" für einige Tage auf die Passanten im Museumsquartier.

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Krebs durch HPV-Infektionen

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Österreich war stets Schlusslicht, was Impfungen gegen das Humane Papillomavirus (HPV) angeht, das unter anderem Gebärmutterhalskrebs auslösen kann. Nun will man sich auf die Überholspur begeben: Mädchen und Buben werden in Zukunft kostenlos geimpft, beginnend mit den Geburtsjahrgängen 2003, 2004 und 2005 – letztere erhalten die Impfung ab September in den Schulen. Pamela Rendi-Wagner, Sektionsleiterin für Öffentliche Gesundheit im Ministerium, wird diesen Plan am Samstag beim Österreichischen Impftag in Salzburg präsentieren.

Österreich ist damit das erste Land, das auch Buben gezielt impft, um den Transfer von HPV bei sexuellen Kontakten einzudämmen. Bis zum vollendeten 15. Lebensjahr wird eine Impfdosis (von drei notwendigen) 50 Euro statt bisher 190 Euro kosten. Im Gesundheitsministerium verspricht man sich davon die Herstellung eines so genannten Herdenschutzes, sprich: Es sind so viele Menschen gegen das Virus immun, dass es sich nicht mehr ausbreiten kann. In Österreich gelang das in den vergangenen Jahrzehnten unter anderem mit der Impfung gegen Kinderlähmung.

Ebendieser Herdenschutz ist auch bei Masern ein Thema. Dieses Wochenende startet das Gesundheitsministerium diesbezüglich eine groß angelegte Kampagne, in der sozusagen die Masern zu Wort kommen: "Wir schielen auf dich", lautet etwa die Botschaft, die in roten Pünktchen auf das Leopold-Museum im Museumsquartier projiziert wird. 

Urbane Mittelschicht als Zielgruppe

Dort wurde die Kampagne am Freitag Journalisten präsentiert, und die Location war nicht zufällig gewählt, wie Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) betonte: Man wisse nun einmal, dass sich in der urbanen, gebildeten Mittelschicht die meisten Impfskeptiker tummeln würden. Worauf das zurückzuführen sei? "Krankheiten wie Masern sind – zum Glück – kein Teil der Lebensrealität der Menschen mehr. Als ich ein Kind war, war das ganz anders." Er selbst habe, erzählte Stöger am Rande der Pressekonferenz dem STANDARD, gemeinsam mit seinen Geschwistern die Masern durchlebt. "Und es hat lange gedauert, bis ich wieder in die Schule gegangen bin."

Befindet sich ein Kind mit Masern in einem Raum mit anderen Kindern – auch wenn die charakteristischen roten Pünktchen noch gar nicht zu sehen sind – dann liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Ansteckung bei nahezu 100 Prozent. Seit 2002 ist die Krankheit in Österreich meldepflichtig, 1000 Fälle wurden seither im Gesundheitsministerium registriert. Sektionschefin Rendi-Wagner geht aber davon aus, dass man diese Zahl mit zehn multiplizieren muss, um der Dunkelziffer nahe zu kommen. Für 16 Kinder ging die Krankheit nachweislich tödlich aus. Sie litten an der subakuten sklerosierenden Panenzephalitis, einer Folgekrankheit, die fünf bis acht Jahre nach den Masern ausbrechen und nicht behandelt werden kann. Besonders gefährdet, so Rendi-Wagner, seien Kinder, die die Masern vor dem zweiten Geburtstag hatten.

Impfrate unter WHO-Empfehlung

Geimpft wird ab dem elften Monat, vorher würden die mütterlichen Abwehrkräfte sozusagen die Impfung unschädlich machen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt eine Durchimpfrate von 95 Prozent, erst ab dann gebe es besagten Herdenschutz. Bei den Zweijährigen liegt diese Rate derzeit je nach Region zwischen 60 und 80 Prozent. Nicht nur Eltern von kleinen Kindern, auch die Erwachsenen selbst sollen von der Kampagne angesprochen werden; bis zum Alter von 45 Jahren kann man die MMR-Impfung (Mastern, Mumps, Röteln) gratis nachholen.

Im Gesundheitsministerium betont man, diese Dreifachimpfung sei gut verträglich. In den letzten 14 Jahren habe es bei drei Millionen Impf-Dosen keinen einzigen nachgewiesenen Schaden gegeben, seltene Nebenwirkungen seien niedriges Fieber und rote Pünktchen, die schnell wieder verschwinden. Es gibt freilich auch andere Denkansätze: So sehen etwa anthroposophische Ärzte die Masernimpfung kritisch. "Eltern erleben gerade bei Masern oft eine tiefgreifende Reifung ihres Kindes", heißt es etwa in einem Informationsblatt der Gesellschaft anthroposophischer Ärzte in Deutschland, an dem sich auch deren österreichisches Pendant orientiert. Zudem würde das Durchleben der Erkrankung – vereinfacht gesagt – nicht nur das Immunsystem stärken, sondern auch die Persönlichkeit des Kindes.

Land der Impfskeptiker

Überhaupt ist Österreich ein Land der Impfskeptiker. In einer Studie, die die Karl-Landsteiner-Gesellschaft vergangenes Frühjahr veröffentlichte, gaben 57 Prozent der Eltern an, Impfungen kritisch zu sehen. Vier Prozent lehnten sie überhaupt ab. 44 Prozent der 750 befragten Eltern von Kindern bis zum Alter von 13 Jahren sagten, sie hielten den Schutz für unnötig, über Nebenwirkungen machten sich 34 Prozent Sorgen. Nur 68 Prozent der Befragten vertrauen den österreichischen Impfempfehlungen. Gesundheitsminister Stöger meint, die Impffrage sei nun einmal "so komplex, dass Eltern leicht zu verunsichern sind". Mit "Zahlen, Daten, Fakten" will er den Skeptikern entgegenwirken. (Andrea Heigl, derStandard.at, 10.1.2014)