Der Liedermacher und Kabarettist Ulrich Gabriel wohnt in einem alten, von ihm selbst renovierten Haus im Dornbirner Stadtteil Hatlerdorf. Michael Hausenblas erfuhr, wo es spukt und was das Gemäuer sonst noch zu erzählen hat.

"Ich wohne hier seit 1981. Das Haus in Dornbirn mit der Adresse Hatlerstraße 53, übrigens seit kurzem auch Sitz des neu gegründeten Kunst- und Kulturvereins Edmund Kalb, ist ein sogenanntes Rheintalhaus, errichtet im 18. und umgebaut im 19. Jahrhundert. Es wurde 1980 von uns, wie ich meine, zeitgemäß renoviert und vom Bundesdenkmalamt unter Ensembleschutz gestellt.

Ulrich Gabriel in seinem Haus in Dornbirn, in dem eine wertvolle Briefmarkensammlung versteckt sein soll, die er bis heute allerdings nicht gefunden hat.
Foto: Christian Grass

Bis zu Zeiten des aufgeklärten Absolutismus und teilweise auch noch darüber hinaus dürfte das überaus stattliche Gebäude ein Pfarrhaus gewesen sein. Auf jeden Fall war es ein Bürgerhaus mit – zum Glück – etwas größeren Raumhöhen, als es in Bauernhäusern damals üblich war. Die Hatler Kapelle stand damals unmittelbar daneben. Heute erinnert ein Straßenkreuz daran. Außerdem soll hier einmal der Blitz eingeschlagen haben, einer soll sich im Stadel erhängt haben, und nach dem Krieg war es bummvoll. Vier Familien bewohnten alle vier Stockwerke, Dachboden inklusive. Später, als das Haus nahezu leer stand, lebte im Stadel der Hatler Edelsandler Bruno Meier und hielt die Stellung. Übrigens soll irgendwo zwischen den Balken eine wertvolle Briefmarkensammlung versteckt sein. Ich habe sie allerdings bis zum heutigen Tag nicht gefunden.

Seit 2002 spukt nur noch der Baron von Zanzenberg im Haus herum, und zur Kürbiszeit kommen Kinder halloweenen, sagen irgendeinen Spruch und strecken die leeren Hände her. Der Baron von Zanzenberg ist übrigens mein Kolumnistenpseudonym. Es wohnen hier noch zwei sehr gut befreundete Wohnparteien mit bis zu sechs Familiennamen auf zwei Stöcken mit je drei Zimmern und Nebenräumen. Mehr Privates als das will ich aber nicht hergeben.

Der ins Haus integrierte Stadel wurde 2007 zu Garagen, Studio und zum Lager meines Verlags Unartproduktion vom Architekten Hans Riemelmoser zeitgemäß adaptiert. In der Wohnung selbst haben wir eigentlich keinen einheitlichen Einrichtungsstil. Die dem Haus eigene Holzstruktur mit zum Teil sichtbaren, sehr alten Holzbalken, den getäfelten Holzwänden und den abnehmbaren zwölfteiligen Winterfenstern prägt die Optik: alt neben neu. Eine luftige blaue Stahlstiege zieht sich mitten im Haus bis in den Dachboden hinauf. Und zu ebener Erde befindet sich ein großer Gemeinschaftsraum, der zu Zeiten der Lohnweberei als Webkeller gedient haben soll.

Heute wird oft bis tief in die Nacht von der Hausgemeinschaft zwar nicht mehr mit Fäden gewebt, aber dafür viel gesponnen: Ideen, aus denen dann, zu gedanklichen Projekten verwoben, Kunst und Kultur werden kann. Manchmal hocken bis zu zehn Spinnerinnen und Spinner am runden Tisch, verwandeln durch die Fenster gut einsehbar Wasser in Wein, palavern über Gott und die Welt und weben Wesentlichkeit. Die Getränke holen wir aus dem Gewölbekeller daneben.

Wohnen heißt für mich in erster Linie Wohnarbeit, das bedeutet: in den PC zu hackeln, zu kochen, aufräumen, leere Flaschen zu entsorgen, den ewigen Kampf gegen die Bücher- und Papierhaufen anzufechten, jeden Mai aufs Neue zwei Bohnenstangen vor der Türe aufzupflanzen, den Wein an der Südwand zu schneiden, dreimal rund um den Brunnen zu gehen, auf die Uhr der Hatler Kirche zu schauen, beim Bäcker Heidegger Brot und beim Metzger Fink Blut- und Leberwürste zu kaufen, und so weiter. Und übrigens warten zwei Klaviere, eine Klarinette, ein E-Piano und eine Handorgel darauf, bearbeitet zu werden. Ob ich eine Idee in Sachen Traumhaus habe? Will ich gar nicht, aber im Traum schwebt mir die Steinzeithütte von Fred und Wilma Feuerstein vor." (DER STANDARD, 11.1.2014)