Merzbach: "Selbstverantwortung gibt es auch noch."

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STANDARD: Wie geht es einem global agierenden Unternehmen in der Grundstoffindustrie mit der Novelle zum Arbeitnehmerschutzgesetz, die auch Evaluierung psychischer Belastungen, etwa zunehmender Zeit- und Termindruck, knappe Personalbemessung, Verwischen der Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit, verlangt?

Merzbach: Na ja - Dezibel lassen sich messen, bei psychischen Belastungen ist das schwierig. Wo der eine gestresst ist, kommt der andere erst richtig in die Gänge. Aber grundsätzlich ist es natürlich so, dass die psychischen Belastungen zunehmen und dass Unternehmen da gegenzusteuern haben. Die Vollzugsorgane sind da aber nicht sensibilisiert genug - mit Checklisten lässt sich das nicht kontrollieren. Das hat viel mit persönlichem Empfinden zu tun. Und vor allem: Was soll dann die Konsequenz sein, wenn sich Belastungen nicht eliminieren lassen? Den Leuten nahelegen, sich einen anderen Job zu suchen?

STANDARD: Es wirkt aber so, als hätte sich das Arbeitsinspektorat recht gut mit Hilfestellung, Erklärung, Fragebögen auf seinem Online-Portal aufgestellt ...

Merzbach: Es ist ja so, dass jedes Unternehmen schon etwas hat - Gesundheitsprogramme, Präventionsangebote, Mitarbeiterbefragungen. Mein Wunsch wäre, dass hier mehr Flexibilität gegeben wird, auf Bestehendes im Unternehmen aufzubauen und weniger formalistisch vorzugehen. Da kennen die Vollzugsbehörden nur Schwarz-Weiß. Gesunde Mitarbeiter zu haben ist ja kein frommer Wunsch und kein Selbstzweck, sondern davon hat die Firma etwas und will folglich dafür etwas tun.

STANDARD: Wie gehen Sie konkret vor?

Merzbach: Wir haben eine Mischung aus Einzelinterviews, Gruppengesprächen, Impulstests und Weiterentwicklung bestehender Erhebungen. Parallel bauen wir unsere Gesundheitsangebote weiter aus, etwa die Möglichkeiten zum anonymen Coaching. Beim Sport haben wir rund um unsere Werke eine recht gute Tradition.

STANDARD: Entledigt aber nicht der Folgen des Arbeitens in drei Zeitzonen ...

Merzbach: Das ist ein Riesenproblem. Natürlich wünschen wir uns Flexibilisierung bei der Arbeitszeit - mit Mechanismen des Industriezeitalters geht es heute nicht mehr. Da passt auch die Wochenendruhe in ihrer Striktheit nicht mehr. Am liebsten würde ich nur mehr in der Produktion nach Zeit zahlen.

STANDARD: Die RHI selbst hat beim Blick auf Frauenquoten Nachholbedarf ...

Merzbach: Ja, aber nicht via Quoten, die halte ich für überflüssig. Schauen Sie auf Demografie und Trends - das kommt von allein, ob man dafür oder dagegen ist. Aktionen aus Verzweiflung sind meist nicht günstig. (Karin Bauer, DER STANDARD, 11./12.1.2014)