Am 28. Juni 2009 veranstaltete der britische theoretische Physiker Stephen Hawking an der Universität von Cambridge eine Party für Zeitreisende aus der Zukunft, komplett mit Sektbuffet und Caterer. Ganz im Sinne des Events (und vielleicht um keine Partycrasher anzulocken) wurden die Einladungen dazu erst vor wenigen Wochen, also vier Jahre nach der Veranstaltung gedruckt - und zwar auf besonders widerstandsfähigem Spezialpapier, das im Idealfall auch Jahrtausende überdauert.

Bedauerlicherweise scheiterte das Experiment: Außer dem Gastgeber erschien damals niemand auf dem Fest. Woran es lag, lässt sich freilich nicht mit Gewissheit sagen. Möglicherweise überlebten keine Einladungen die Äonen. Oder - was wahrscheinlicher scheint - Reisen zurück in der Zeit sind auch in ferner Zukunft unmöglich.


Video: Der britische Physik-Superstar thematisierte seine Party für Zeitreisende (und das erwartbare Ergebnis) in augenzwinkernder Weise auch in seiner TV-Sendung "Into the Universe With Stephen Hawking" (Quelle: Youtube).

Zeitreisen als Einbahnstraße

Hawking selbst - und mit ihm mehr oder wenige seine gesamte Kollegenschaft - vertritt nämlich die Auffassung, dass Zeitreisen auf makroskopischen Skalen allenfalls in eine Richtung möglich sind. Gemäß Einsteins Spezieller Relativitätstheorie haben große Massen und hohe Geschwindigkeiten Einfluss auf das Tempo, mit der Zeit vergeht. Selbst auf der Erde ist dieser Effekt von Masse spürbar: Hier ticken die Uhren langsamer als im Weltraum.

Praktisch wirkt sich das etwa bei der Feinabstimmung von Navigationssatellitensystemen wie GPS aus. Im Gegenzug würden Passagiere mit einem annähernd lichtschnellen Raumschiff wesentlich rascher in Richtung Zukunft reisen. Die Bewegung rückwärts in der Zeit widerspricht dagegen dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik und dem Prinzip von Ursache und Wirkung - ist also nach derzeitigem Stand der Wissenschaft faktisch unmöglich.

Hoffnung wider besseres Wissen

So unumstößlich diese physikalischen Grundsätze scheinen, so hoffnungsvoll sind offenbar immer noch manche Physiker, dass eine Zivilisation der fernen Zukunft diese Nuss dereinst knackt und Zeittouristen uns besuchen kommen. Eine Gruppe von Wissenschaftern um Robert Nemiroff und Teresa Wilson von der Michigan Technological University in Houghton beschritten nun einen etwas anderen Weg als Hawking, um potenzielle Zeitreisende aufzuspüren. Was zunächst als Witz auf einem von Nemiroff veranstalteten Pokerabend begann, entwickelte sich zu einem ernsthaft betrieben Projekt, das in einen auf dem Reprint-Server "ArXiv" veröffentlichen Fachartikel mündete.

Die Astrophysiker nutzten für ihre Fahndung nach Zeitreisenden den Kurznachrichtendienst Twitter. Konkret suchten die Forscher systematisch nach Tweets, die auf Vorwissen über zukünftige Ereignisse schließen lassen. Sie beschränkten sich dabei auf zwei Begebenheiten: die Entdeckung des vermeintlichen Jahrhundertkometen ISON im September 2012 und die Wahl von Jorge Bergoglio zum Papst Franziskus im März 2013. Für Twitter entschieden sich Nemiroff und sein Team, weil sich Tweets nicht rückdatieren lassen und dadurch verlässlichere Indikatoren sind.

Tweets aus der Zukunft

Mit Hawkings Experiment hatte der Versuch der Forscher aus Michigan vor allem eines gemeinsam: das Ergebnis. Nicht ein einziger Tweet tauchte vor September 2012 bzw. März 2013 auf, der ISONs Erscheinen oder Franziskus' Berufung zum Kirchenoberhaupt auch nur andeutete. Auch eine direktere Herangehensweise blieb erfolglos: Die Physiker, die ihre Untersuchung übrigens selbst finanzierten, richteten an potenzielle Zeitreisende die Aufforderung, bis Ende August 2013 einen Tweet mit den Hashtags "#ICanChangeThePast2" oder "#ICannotChangeThePast2" zu veröffentlichen. Die Aufforderung erging allerdings erst im September 2013. Auch hier ergab eine Suche nach Reaktionen, die vor dem September publiziert worden sind, keine Ergebnis - was letztlich auch ein Ergebnis sein kann. "Meiner Ansicht nach verringert dieses Resultat die Wahrscheinlichkeit, dass es Reisen rückwärts in der Zeit geben könnte", erklärt Nemiroff.

Völlig ausschließen will es der Physiker aber auch weiterhin nicht - ebenso wenig wie Stephen Hawking übrigens, der in seinen Theorien dafür ein buchstäblich winziges Schlupfloch lässt. Gemäß einer anerkannten These existiert am untersten Ende der universellen Größenskala, im Bereich der Planck-Länge (bei 10–35 Metern) sogenannter Quantenschaum aus fortwährend entstehenden und vergehenden Raumzeit-Blasen. In diesen Regionen könnten sich nach Hawkings Ansicht auch Wurmlöcher bilden - Abkürzungen, die unterschiedliche Räume und Zeiten für kurze Zeit miteinander verbinden.

Ein Schlupfloch bleibt

Auch wenn diese Wurmlöcher zu winzig sind, als dass irgend eine Form von Materie durch passen würde, so halten es Hawking und einige seiner Kollegen doch für zumindest denkbar, dass es eines Tages eine Technologie gibt, die diese Löcher in Raum und Zeit vergrößern könnte und so Personen eine Passage ermöglicht. (tberg, derStandard.at, 11.1.2014)