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Foto: Reuters/Kalnins

Laimdota Straujuma hatte niemand auf der Rechnung. Ihre Ernennung zur Ministerpräsidentin Lettlands war selbst für diejenigen, die sich gern politische Experten nennen, eine absolute Überraschung. Nicht deshalb überraschend, weil Straujuma für das Amt ungeeignet wäre: im Gegenteil. Sondern, weil sie als so unambitioniert auf ein politisches Amt galt, dass sie lettischen Medienberichten nach hinter vorgehaltener Hand als "bescheidene Oma"  bezeichnet wurde.

Rein äußerlich strebt Straujuma jedenfalls Unauffälligkeit an: Der Kleidungsstil der 62-Jährigen erinnert stark an den der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Damit sind die Gemeinsamkeiten keineswegs erschöpft. Wie Merkel hat Straujuma Physik (daneben auch noch Mathematik) studiert und dann zu Sowjetzeiten eine Wissenschaftskarriere eingeschlagen, ehe sie nach der Unabhängigkeit Lettlands in die Politik ging.

Bei Straujuma, die an der lettischen Akademie der Wissenschaften mit der Arbeit "Die Bewertung der Ressourcennutzung lettischer produzierender Unternehmen"  zu einem Wirtschaftsthema promovierte, ging die Karriere allerdings eher langsam voran. Von einer staatlichen Beratungsstelle für landwirtschaftliche Betriebsführung wechselte sie als Staatssekretärin ins Landwirtschaftsministerium, Jahre später dann mit dem gleichen Rang ins Ministerium für Regionalentwicklung und Kommunalverwaltung.

Erst 2011 wurde die parteilose, aber bekennende Konservative zur Landwirtschaftsministerin. Nun, nachdem ihr Vorgänger Valdis Dombrovskis nach einem Supermarkteinsturz in Riga zurücktreten musste, sind aber vor allem ihre rechnerischen und ökonomischen Qualitäten gefragt: Bis zu den Parlamentswahlen im Oktober führt sie die lettische Regierung an – als erste Frau überhaupt.

Lettland ist Anfang des Jahres der Eurozone beigetreten. Der Weg war schmerzhaft: Riga fuhr in den vergangenen Jahren einen rigorosen Sparkurs, um die Verschuldung zu drücken. Die Arbeitslosigkeit schnellte nach der Finanzkrise in die Höhe, viele junge Leute wanderten wegen Per­spektivlosigkeit und geringer Löhne ins Ausland ab. Inzwischen wächst die Wirtschaft wieder, heuer sollen es mehr als vier Prozent werden. Den Sparkurs will Straujuma dabei weiter führen. Da ist es kein Zufall, dass Berlin dieser Tage den Südeuropäern gern Riga als Musterschüler präsentiert. (André Ballin /DER STANDARD, 11.1.2014)