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Anlegerschützer sprechen von Erpressung durch Prokon.

Foto: apa/epa/Ulrich Perrey

Berlin - Zehntausende deutsche Kleinanleger müssen um ihr Geld bangen: Der deutsche Windanlagenfinanzierer Prokon droht mit der Insolvenz noch in diesem Monat, falls weiteres Kapital aus dem Unternehmen abgezogen wird.

Sollte es "nicht gelingen, die Liquiditätslage sehr schnell wieder zu stabilisieren, werden wir voraussichtlich Ende Jänner gesetzlich gezwungen sein, eine Planinsolvenz wegen drohender Zahlungsunfähigkeit einzuleiten", heißt es in einem mit Datum 10. Jänner auf der Internetseite veröffentlichten Schreiben der Geschäftsführung. Anlegerschützer sprechen von "Erpressung".

Nach Angaben des Unternehmens mit Sitz in Itzehoe (Schleswig-Holstein) gibt es über 75.000 Anleger, die Prokon fast 1,4 Milliarden Euro über sogenannte Genussscheine anvertraut haben. Für Nachfragen war Prokon am Wochenende nicht erreichbar.

Anleger kündigen Genussrechte

Prokon hatte seine Geldgeber bereits im Dezember aufgefordert, die Zinsen für das zweite Halbjahr 2013 zur Entspannung der Liquiditätslage im Unternehmen zu belassen. "Mit großem Bedauern stellen wir fest, dass aufgrund der seit Monaten andauernden Medienkampagne gegen Prokon nach wie vor zahlreiche Anleger aus Angst vor einem Verlust ihres angelegten Geldes ihre Genussrechte kündigen", hieß es nun. Daher sei diese Maßnahme nicht ausreichend. "Somit stehen wir vor einem ernsten Problem."

Das Unternehmen veröffentlichte auf seiner Internetseite vorformulierte Rückantworten, in denen sich die Anleger verpflichten sollen, ihr Geld bis mindestens zum 31. Oktober 2014 nicht zurückzufordern, und auch auf die direkte Auszahlung von Zinsen zu verzichten. Auch danach sollen sie ihre Anlage nur in Raten über zwölf Monate ausbezahlt bekommen. Wer dagegen seine Genussrechte zeitnah kündigt, unterschreibt mit dem Formular den Satz: "Eine Insolvenz von Prokon nehme ich bewusst in Kauf."

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) kritisierte das Vorgehen von Prokon scharf. "Auf die betroffenen Anleger wirken die aktuellen Verlautbarungen schlichtweg wie eine klassische Erpressung", sagte DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler der "Bild am Sonntag". Ein Insolvenzrechtsexperte warnte Anleger davor, auf Ansprüche zu verzichten. "Anlegern, die nicht rechtzeitig ihre Rechte sichern, steht in einem Insolvenzverfahren aufgrund des Nachrangs der Genussrechte nicht einmal eine Insolvenzforderung zur Verfügung", sagte der Berliner Rechtsanwalt Christoph Kaltmeyer "Wallstreet Online".

1.300 Arbeitsplätzen in Gefahr

Angesichts von rund 1.300 Arbeitsplätzen - davon allein 500 in Itzehoe -, die auf dem Spiel stehen, will sich das schleswig-holsteinische Arbeitsministerium Anfang der Woche in Gesprächen mit dem Unternehmen über die Lage informieren. "Es geht darum, möglicherweise behilflich zu sein, eine Planinsolvenz zu verhindern", sagte ein Ministeriumssprecher.

Das Unternehmen finanziert vor allem Windparks und sammelt dazu bei Anlegern Geld ein. In einer aggressiven Werbekampagne wurden jährliche Zinszahlungen von bis zu 8 Prozent zugesagt. Im vergangenen Jahr hat Prokon nach eigenen Angaben rund 330 Millionen Euro an Zinsen ausgeschüttet, gleichzeitig lief ein Verlust von knapp 210 Millionen Euro auf.

Verbraucherschützer hatten wiederholt das Geschäftsmodell infrage gestellt und mangelnde Transparenz beklagt. "Ich denke auch, dass frisches Geld ständig nötig war, Prokon also zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen ist, die bestehenden Verbindlichkeiten allein durch die Erträge aus den Kraftwerken zu bezahlen", sagte Michael Herte von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein am Samstag in der "Tagesschau".

"Wir warnen bereits seit längerem vor den Risiken der Anlage in Genussrechten bei Prokon", sagte Günter Hörmann vom Vorstand der Verbraucherzentrale Hamburg. Im September 2012 hatte das schleswig-holsteinische Oberlandesgericht einer Klage der Verbraucherzentrale gegen ein Unternehmen der Prokon-Gruppe wegen unlauterer Werbung stattgegeben (Urteil vom 5.9.2012, Az. 6 U 14/11). Hörmann riet Anlegern jedoch, nicht vorschnell zu handeln und sich erst bei der Zentrale oder einem Anwalt beraten zu lassen. Auch die Landesregierung in Kiel sieht nach dpa-Informationen das Finanzmodell seit langem sehr kritisch. (APA, 12.1.2014)