Wien – Gerd Bacher wird die Grabrede halten auf Fritz Molden. Auf einen, der dem "talentierten Provinzler die Welt aufmachte", als Bacher 1954 aus Salzburg nach Wien kam, um das Boulevardblatt "Bild-Telegraf" als Chefredakteur zu führen, von Molden erst gedruckt, dann verlegt, später den "Express" und den Buchverlag Fritz Molden.

"Ein Täterduo" nannte Bacher dieses Gespann einmal: "Diese Jahre waren ein Abenteuer, wie man es nur mit einem so fantastischen, so couragierten, maßlosen, egomanischen, ungeduldigen Täter erleben konnte" wie Molden. "Kennt man einen Ähnlichen?", fragte Bacher 1999 in einer Würdigung zu Moldens 75er.

Haupttäter der Medienszene

Bacher wurde 1967 als ORF-Chef über Jahrzehnte selbst zu einem Haupttäter der Medienszene. Molden führte den nach ihm benannten Buchverlag zu internationaler Größe – und 1982 doch in den Konkurs. "Weil ihn immer der Umsatz mehr interessierte als der Gewinn" , schrieb Bacher über die Pleite: "Einer der eigenwilligsten Akteure der zweiten österreichischen Jahrhunderthälfte verblüffte Freund und vor allem Feind mit seinen Nehmerqualitäten" in diesem Scheitern.


"Phantastisch, couragiert, maßlos": Gerd Bacher über Verleger und Publizist Fritz Molden.

Aber, noch einmal Bacher über Molden: "Mit ihm über Risiken zu argumentieren war so sinnvoll, wie mit einem Extremkletterer über die Gefahren der Gratwanderung zu debattieren." Moldens Aufstiege und Abstürze – im Überblick rechts – hätten gut für mehrere Lebensläufe gereicht, schrieb die APA zu seinem Tod.

Karl Schwarzenberg, Außenminister und zuletzt Präsidentschaftskandidat in der Tschechischen Republik, gab 1999 den Band über Molden heraus. "Es gibt nur ganz wenige Menschen, welche die österreichische Zweite Republik so intensiv begleitet und weitgehend verkörpert haben wie Fritz Molden" , schrieb Schwarzenberg im Vorwort von "Fepolinski revisited" (Molden-Verlag).

Heinz Fischer: "Ein echter österreichischer Patriot"

An Moldens "hervorragende Rolle" bei der Gründung dieser Zweiten Republik und über viele Jahrzehnte danach erinnerte am Wo­chenende Bundespräsident Heinz Fischer. "Er war ein vielseitig interessierter Intellektueller, eine energiegeladene Verlegerpersönlichkeit und ein echter österreichischer Patriot im besten Sinn des Wortes." Fischer verwies auf Moldens "beispielhafte Haltung während der Nazizeit". Unvergessen bleibe sein "unerschrockener Einsatz für die Wiedererrichtung eines freien und demokratischen Österreich". Als Publizist "war er von einer liberalen Gesinnung im besten Sinn des Wortes geprägt".

In "Fepolinski revisited" verwies Fischer 1999 auf "die Rolle, die Fritz Molden in der Causa Waldheim gespielt hat, beziehungsweise die er sich damals aufdrängen ließ". Molden setzte sich als eine Art Sonderbotschafter in Europa für das nach der Wahl Kurt Waldheims isolierte Österreich ein. Dem Sozialdemokraten Fischer hat die Rolle "weniger gut gefallen". Aber viele Jahre danach "ist unser aller Urteil milder und vielleicht gerade dadurch sachgerechter".

Für Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) verliert Österreich mit Molden "einen bedeutenden Publizisten und eine der profiliertesten Persönlichkeiten der Zweiten Republik". ÖVP-Generalsekretär und Mediensprecher Gernot Blümel erinnerte auch an Molden "herausragendes" Engagement für die Autonomie Südtirols.

Fritz Molden starb am Wochenende mit 89 Jahren im Krankenhaus des Tiroler Ortes Schwaz, wo er nach Angaben seiner Frau Hanna seit den Weihnachtsfeiertagen behandelt wurde.

1924 Vater Ernst Molden war stellvertretender Chefredakteur der traditionsreichen Tageszeitung "Die Presse", ab 1946 ihr Wiedergründer und Verleger. Die Mutter, Paula von Preradovic (im Bild), verfasste den Text für Österreichs Bundeshymne. Nach Bruder Otto, der später das Forum Alpbach gründet, kommt am 8. April Fritz Molden zur Welt.

Foto: DER STANDARD

1938 war Fritz Molden unter tausenden Jugendlichen im Stephansdom bei der Rosenkranzandacht von Kardinal Theodor Innitzer (im Bild). Innitzer hatte im März 1938 eine Erklärung mit "... und Heil Hitler!" unterzeichnet, die Österreichs Anschluss an Nazideutschland befürwortete – von der sich der Vatikan und dann er distanzierten. Innitzer forderte in der Andacht auf, sich "jetzt umso standhafter zum Glauben (zu) bekennen, zu Christus – unserem Führer!" Die Rede gilt als Ursprung katholischen Widerstands gegen das NS-Regime. Fritz hatte schon mit 14 Jahren an Aktionen gegen die Nationalsozialisten teilgenommen, er desertierte aus der Wehrmacht zu den italienischen Partisanen, wurde Verbindungsmann der Amerikaner zu österreichischen Widerstandszirkeln.

Foto: Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv

1945 wurde Molden Sekretär von Außenminister Karl Gruber, davor Landeshauptmann Tirols und im Außenamt nach Moldens Worten "meine Erfindung". Molden beteiligt sich nach dem Krieg auch an einem weniger diplomatischen Projekt: Waffenlager wurden angelegt "als Teil einer breiten Widerstandsstrategie", sollte die Besatzungsmacht Sowjetunion Ostösterreich okkupieren. Molden sprach von einem "rein österreichischen" Vorhaben "in enger Zusammenarbeit mit den Amerikanern". Molden bestritt jede Zusammenarbeit mit deren Geheimdiensten. 1948 bis 1953 war Molden mit der Tochter des CIA-Chefs Allen Dulles verheiratet, eine von vier Ehen mit fünf Kindern, darunter der Liedermacher Ernst Molden (im Bild).

Foto: DER STANDARD

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1946 gründete Moldens Vater "Die Presse" wieder, vorerst wegen Papiermangels als Wochenblatt, ab 1948 täglich und bald in ernsten Finanzschwierigkeiten. Molden, zunächst Redakteur, übernahm bei "Presse" und "Wochenpresse" die kaufmännische Führung – mit Erfolg. "Aber dann bin ich größenwahnsinnig geworden", schilderte er 2013 der "Presse" seinen Aufstieg zu Österreichs größtem Zeitungsverleger. Er schlug Hans Dichand als "Kurier"-Chefredakteur vor, als die Amerikaner 1954 die damals größte Tageszeitung Österreichern überantworteten. Weil der ÖVP-Arbeitnehmerbund an Bord kam, verließ Molden die "Kurier"-Investorengruppe. Molden betrieb die Wiener Großdruckerei Pressehaus, die ab 1954 auch den "Bild-Telegraf" produzierte – ein Angriff der Bundesländerzeitungen auf den Kurier. Als die Schulden des "Bild-Telegraf" explodieren, übernahm Molden die Redaktion samt Chefredakteur Gerd Bacher und führte das Blatt weiter. Der "Kurier" aber hatte die Titelrechte übernommen und klagte. Die Scharmützel und täglich wechselnden Titel des Molden-Blatts gingen als Wiener Zeitungskrieg in die Medienhistorie ein. Aus dem "Bild-Telegraf" wurde schließlich das Massenblatt "Express" mit Investoren aus der SPÖ. Molden bemühte sich 1958 um die Titelrechte zur Neugründung der "Krone". Hans Dichand war schneller, wollte Molden beteiligen, was Konkurrenzklauseln mit den "Express"-Partnern verhinderten. Moldens Pressehaus druckte die "Krone". Dichands Blatt übernahm die Großdruckerei schließlich ebenso wie den "Express".

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1964 beschloss er, den Buchverlag Fritz Molden zu gründen. Einen "Großverlag", erinnert sich sein erster Verlagsleiter Gerd Bacher. Es wurde ein Großverlag von internationaler Bedeutung, mit Biografien von Stalins Tochter Svetlana bis Hildegard Knefs "Geschenktem Gaul". Dennoch ging er 1982 pleite. Molden arbeitete sein Scheitern in der Autobiografie "Der Konkurs" auf.

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1987 stritt Molden eine Nacht mit Oscar Bronner, damals nach dem Verkauf von "Trend" und "Profil" Maler in New York. Über Kurt Waldheim, dessen Präsidentschaftswahlkampf und zaghafter Umgang mit seiner Wehrmachtsvergangenheit 1986 Österreichs verdrängte Rolle im Nationalsozialismus die Republik spaltete und international diskreditierte. Molden vermittelte als eine Art Sonderbotschafter für Österreich; der Widerstandskämpfer hatte sich auch in den 1950er Jahren für Südtirols Autonomie eingesetzt. In der Nacht erzählte Bronner auch, er sehe für eine neue, liberale Tageszeitung in Österreich einen Markt. Molden bestand auf Bronners "Pflicht, die Gründung zumindest zu versuchen". Molden unterstützte den 1988 gegründeten STANDARD die ersten Jahre als Berater.

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1995 gründete Molden einen neuen Buchverlag, den er zusammen mit Hubertus Czernin, Exherausgeber des Profil, bis 2005 führt. Heute gehört die Verlagsmarke zu den Buchverlagen der Styria Media Group. Seine politischen Lebenserinnerungen "Vielgeprüftes Österreich" erschienen 2007 bei Amalthea. (fid, DER STANDARD, 13.1.2014)

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Foto: Amalthea Verlag