Mailand - Matteo Renzi, neuer Chef der linksdemokratischen Partei (PD) Italiens, die auch den Regierungschef stellt, gibt Gas. Er will innerhalb von wenigen Monaten den Arbeitsmarkt umkrempeln. Mit seinem angekündigten "Jobs Act" sorgt er im politischen Umfeld für Bewegung: Regierungschef Enrico Letta ließ bereits wissen, dass er keine "Zwangsverwaltung" dulde. Und Vize-Wirtschaftsminister Stefano Fassina trat angesichts des Reformeifers seines neuen Parteichefs zurück.
Gewerkschaften und die zuständige EU-Kommission haben sich bisher positiv zu den ersten Leitlinien der Reform ausgesprochen. Laut Meinungsumfragen ist der sichere Arbeitsplatz derzeit das größte Anliegen der Italiener. Kein Wunder. Die jüngst veröffentlichten Daten mit einer Arbeitslosenquote von 12,7 Prozent und einer Jugendarbeitslosenquote von 41,6 Prozent stellen neue Rekordstände dar. Zwischen November 2007 und November 2013 ist die Zahl der Beschäftigten in Italien um 1,1 Millionen gesunken, während sich die Zahl der Arbeitslosen von 1,529 Millionen auf 3,254 Millionen verdoppelte. Die Beschäftigungskrise belastet Männer stärker als Frauen.
Die Reform sieht vor, dass die Vielfalt der in Italien geltenden Tarifverträge vereinheitlicht und die Arbeitslosenunterstützung an eine Berufsausbildung gekoppelt wird. Die Gewerkschaften sollen künftig mittels eines noch nicht üblichen Mitbestimmungsrechts bei der Unternehmensstrategie mitwirken.
Einer der Schwachpunkte des italienischen Arbeitsmarktes ist derzeit nicht nur das im Paragraf 18 verankerte, rigorose Kündigungsgesetz: Dieses macht die Entlassung von fest angestellten Arbeitskräften äußerst schwierig. Auch hinkt Italien mit der Berufsbildung gegenüber anderen EU-Ländern nach. So gibt es im südlichen Nachbarland beispielsweise keine Ausbildung für Automechaniker, Friseure oder Installateure. Dies soll in Zukunft anders werden.
Auflagen für Arbeitslose
Kern der Reform ist ein neuer Arbeitsvertrag, der den Arbeitnehmern innerhalb von drei Jahren zunehmende Rechte bietet und erst dann in ein traditionelles festes Anstellungsverhältnis mündet. Damit wäre es anfangs leichter, Arbeitnehmer zu entlassen, während andererseits weniger junge Italiener für viele Jahre in prekären Arbeitsverhältnissen steckenbleiben sollen. Zudem will Renzi allen, die ihre Anstellung verlieren, künftig Arbeitslosengeld bieten, dieses aber eine Berufsumbildung- oder Ausbildung koppeln. Das Arbeitslosengeld soll zeitlich befristet sein. Die Finanzierungsfrage für das Projekt ist noch nicht gelöst. (Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand, DER STANDARD, 13.1.2014)