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Ungarns Ex-Premier Gordon Bajnai verzichtet auf eine abermalige Kandidatur als Premier und ermöglicht so eine breite Wahlallianz der Opposition.

Foto: APA/EPA/Beliczay

Die wichtigsten Kräfte der ungarischen Opposition scheinen in letzter Sekunde die Ernsthaftigkeit der Lage begriffen zu haben. Mit der Ankündigung einer engen Zusammenarbeit zwischen breiten Teilen der demokratischen Opposition sind die Hauptfronten bei der Parlamentswahl bekannt: auf der einen Seite die Regierungspartei Fidesz, ihr gegenüber ein Mitte-links-Wahlbündnis, dessen führende Vertreter als Symbol der sozialliberalen Regierungsperiode von 2002 bis 2010 gelten.

Bajnai ermöglicht breite Wahlallianz

Die jahrelang stark fragmentierte und untereinander teilweise verfeindete Opposition hat mit dem Hereinbrechen des neuen Jahres eine neue politische Variante entdeckt. Mit einem geschickten staatsmännischen Schritt, nämlich dem Verzicht auf die Kandidatur für den Premierposten, machte Ex-Ministerpräsident Gordon Bajnai den Weg für die Ausweitung der bestehenden Wahlallianz zwischen seiner Partei Együtt 2014 und der vom Vorsitzenden Attila Mesterházy geführten Ungarischen Sozialistischen Partei (MSZP) frei. Bajnais Vorstoß, der eine gemeinsame Wahlliste mit Mesterházy als Spitzenkandidat vorsieht, war eine Einladung für die von Ferenc Gyurcsány angeführte Demokratische Koalition (DK).

Gyurcsány ist unumgänglich

Das größte Dilemma der Regierungskritiker vor den Verhandlungen war der richtige Umgang mit Ex-Premier Gyurcsány, dessen Image, nicht zuletzt einer jahrelangen negativen Fidesz-Kampagne geschuldet, noch immer stark angegriffen ist. Die Unterstützung der DK, die laut den neuesten Umfragen mittlerweile in der Höhe von fünf bis sieben Prozent liegt, machte den früheren Sozialisten aber zu einem unumgänglichen Akteur auf dem oppositionellen Spielfeld. Trotz Widerstands einzelner Personen in den Reihen des regierungskritischen Lagers war es kaum vorstellbar, dass der DK-Chef schließlich nicht auf die gemeinsame Liste kommt. Für politisch tot wurde er mehrmals in den letzten Jahren erklärt, sein dritter Platz auf der Oppositionsliste und die Teilnahme seiner Partei an der Wahlallianz sichern ihm jedoch weitere vier Jahre auf der politischen Bühne. Damit steht Gyurcsány, der das Land zwischen 2004 und 2009 regierte, Tür und Tor offen, den Auftritt des Bündnisses bei der Parlamentswahl aktiv mitzugestalten.

Rennen gegen die Gleichgültigkeit und die Zeit

Die Kritik an der Regierungsarbeit wird immer massiver, laut den Popularitätswerten sind jedoch die Chancen der Regierungskritiker auf einen Wahlsieg eher bescheiden. Die Hauptgründe dafür: Die Opposition konnte sich bis heute nicht gänzlich von der historischen Niederlage bei der Parlamentswahl 2010 erholen. Und die Parteichefs der zwischendurch miteinander kooperierenden Parteien haben jahrelang gegeneinander, oft in aller Öffentlichkeit, die Politik der Gekränktheit, Verstimmung und Ablehnung verfolgt. Zum Teil führte diese verantwortungslose Politik zur enormen politischen Verdrossenheit der ungarischen Bevölkerung, die den plötzlichen Gesinnungswandel der Opposition nur sehr schwer verkraften mag. Das Faktum, dass das gemeinsame Wahlprogramm rasant die Akzeptanz der Wähler finden soll, stellt die Regierungskritiker ebenso vor eine große Aufgabe.

Mit der Wahlkoalition halten sich die ungarischen Oppositionellen an dem letzten Strohhalm fest. Leichter Optimismus verbreitet sich in Kreisen der Orbán-Gegner, obgleich es derzeit kein Indiz dafür gibt, dass die Regierung um die Wiederwahl bangen muss. Premier Orbán ist sich des Sieges aber bestimmt nicht sicher. 2006 verlor er die Wahl gegen Ferenc Gyurcsány, nachdem wenige Monate vor der Abstimmung allen Umfragen zufolge die von ihm angeführte Fidesz einen haushohen Sieg hätte einfahren sollen. Gyurcsány wird zwar diesmal nicht sein direkter Gegner sein, als einer der oppositionellen Hauptstrategen ist er aber nicht aus dem Rennen. (Balazs Cseko, derStandard.at, 14.1.2014)