Wien - Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich. Theoretisch. Manchmal beschleicht einen aber doch der Verdacht, dass der Name des Angeklagten durchaus eine Rolle spielen könnte - wie nun in der Berufungsverhandlung gegen Gottfried Küssel und seine rechten Recken.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) ist nämlich der Meinung, dass formalrechtlich im ersten Wiederbetätigungsprozess gegen das Trio am Landesgericht Wien alles in Ordnung war. Weil, wiederum formalrechtlich, die Verteidiger nicht beweisen konnten, dass es Unregelmäßigkeiten bei der Geschworenenauswahl gegeben hat. Obwohl es dafür doch recht starke Indizien gibt.

Küssels Verteidiger Michael Dohr zitierte nämlich in seinem Plädoyer aus dem Mail eines ursprünglich Geschworenen an das Landesgericht, das nach Prozessende Eingang in den Akt gefunden hat. Der Mann war zu einer Ordnungsstrafe in der Höhe von 500 Euro verdonnert worden - weil er seiner Dienstpflicht als Geschworener nicht nachgekommen sei.

Verhinderter Laienrichter

Nur: In seinem Schreiben berichtet der verhinderte Laienrichter, dass er einer jener sieben Menschen war, die am ersten Prozesstag im Gericht erschienen sind. Da es aber acht sein müssen, wurde vertagt. Am zweiten Prozesstag sei er schließlich bei der Sicherheitskontrolle aufgehalten worden und zu spät in den Saal gekommen - allerdings laut Protokoll noch vor Beginn der Verhandlung. Nur um von der Schriftführerin mit der Bemerkung, man habe bereits genügend Geschworene, wieder heimgeschickt zu werden.

Man lernt aus dem OGH-Spruch also, dass die Schriftführer und Schriftführerinnen entscheiden dürfen, wer Justitias Stellvertreter auf Erden wird und wer nicht. Was natürlich ein feiner Beitrag zur Effizienzsteigerung der Justiz sein könnte, wenn man sich künftig die amtliche Erstellung von Geschworenenlisten und die Bestimmung von Haupt- und Ersatzgeschworenen sparen kann.

Wirklich seltsam ist allerdings, dass es der bekennende Nationalsozialist Küssel ist, in dessen Verfahren dieses Faktum nichts zählt. Denn, wir erinnern uns: Bei Ernst Strasser hat der OGH-Senat mit einer selbst für Strassers Verteidiger völlig überraschenden Begründung entschieden, den Prozess teilweise neu aufrollen zu lassen. Eine Entscheidung, die in Justizkreisen, vorsichtig ausgedrückt, auf ziemliches Befremden gestoßen ist, weniger freundlich ausgedrückt, mit verständnislosem Kopfschütteln quittiert wurde.

Göttliches Ohrenspitzen

Die Vermutung, dass die Göttin der Gerechtigkeit also gelegentlich doch die Ohren spitzt, wenn bestimmte Namen fallen, ist nicht völlig von der Hand zu weisen. (Michael Möseneder, derStandard.at, 15.1.2014)