Mehr zur Doku "Arno Schmidt - Mein Herz gehört dem Kopf" von Oliver Schwehm finden Sie hier auf arte.tv.

Foto: arte/Arno Schmidt-Stiftung

Die Schriftstellerin Marie Darieussecq vor Schmidts Wohnhaus in Bargfeld.

Foto: RB/Oliver Schwehm

Darmstadt war eindeutig zu groß für ihn. Ein Holzhaus in der Lüneburger Heide musste es sein. Es schien eng und stickig genug, um darin Zettel's Traum zu schreiben. 1958 übersiedelte der rätselhafte Wortkünstler Arno Schmidt nach Bargfeld in die Heide. Er nahm seine Bücher mit und seine Frau Alice. Man ist sich nicht sicher, ob ihm an den Büchern nicht mehr lag als an ihr.

Das Holzhaus umspannte der Geistesmensch sorgfältig mit Stacheldraht. Innen drin hantierte er nach Herzenslust mit Silben, englischen zumal, die er feinhörig miteinander verklebte. Die wunderbarste Fernsehdokumentation dieser Tage lief Mittwoch auf Arte. "Arno Schmidt - Mein Herz gehört dem Kopf" von Oliver Schwehm erinnerte an jenen Autor, der am konsequentesten die Notwendigkeit des Lebens für die Dichtkunst leugnete.

Ein paar Köpfe rückte Schwehm ins Bild, die gut gealterten von Uwe Timm und Jan Philipp Reemtsma zumal. Das wunderbare Gorgonenhaupt der Schauspielerin Mechthild Großmann trug Arno-Schmidt-Prosa vor. Niemand kann bis heute Schmidts Ton imitieren. Der Dichter, der am 18. Jänner 100 Jahre alt geworden wäre, sprach wie ein Feldwebel, der keine Erbsen, sondern jeden Tag drei Bücher am Stück verschlingt.

Es war Wirtschaftswunder. Deutschland aß sich satt. Freunde (wenige) schickten Grußpostkarten an den Dichter in die Heide. Schmidt verbat sich solche "wohlbepalmten" Ansichten aus Übersee. Er warf hinter sich und der Frau die Tür ins Schloss. Dann tippte er wieder weiter an Zettel's Traum. Schlappe 1334 DIN-A3-Seiten umfasste der Band 1970. Man muss sich Schmidt als glücklichen Menschen vorstellen. (Ronald Pohl, DER STANDARD, 16.1.2014)