Keine Blasmusik, keine Hüttengaudi, kein sonstiges bei derartigen Events übliches Theater: Nüchtern und betriebsam legte die Regierung ihre Klausur in Waidhofen an der Ybbs an. Selbstdarstellung vor den Kameras gab es nur in Minutendosis, die Minister ließen sich weder zu Egotrips noch zu gegenseitigen Anbiederungen hinreißen. In den Worten von Kanzler Werner Faymann: "Es muss etwas zwischen Streiten und Kuscheln geben - die Arbeit."

Die Binnensicht des enttäuschten, weil mit Attraktionen unterversorgten Journalisten einmal ausgeblendet: Es steht den Koalitionären durchaus gut zu Gesicht, Inhalten demonstrativen Vorrang einzuräumen. Substanzlose Posen und leere Worte hat diese Regierung in ihrer kurzen Amtszeit schließlich schon zur Genüge produziert. Auf vielen Seiten ihres Arbeitsprogramms lauert das in umständliche Sätze verpackte Nichts.

Wer Regierungsvertreter darauf ansprach, erntete in den vergangenen Tagen oft Verweise auf die nahende Klausur. Vages konkretisieren wollten SPÖ und ÖVP da, Pläne für Investitionen und Einsparungen vorlegen. Doch die vom ersten Tag ihrer Wiedergeburt an dahinstolpernde Koalition blieb sich treu: Sie hat die selbstgeschürten Erwartungen enttäuscht.

In den 24 Stunden hat die Regierung nicht einmal jenen Sack zugemacht, der bereits gut vorbereitet dastand. Zwar steht jetzt fest, dass die Familienbeihilfe stufenweise und nicht auf einen Schlag erhöht wird, doch das konkrete Modell bleibt nach wie vor unklar. In der Sache ist das kein Beinbruch, solange der erste Auszahlungstermin im Juli hält, symbolisch aber alles andere als ein Zeugnis von Durchschlagskraft. Da will die Regierung einmal Erfreuliches verkünden, weiß aber nicht genau, was.

Kleiner PR-Tipp am Rande für die neue Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP): Es ist nicht rasend schlau, vorab eine Beihilfeerhöhung von insgesamt einer Milliarde Euro in fünf Jahren zu versprechen, wenn hinterher weniger rauskommt. So wird ein reales Plus in den Köpfen der Bürger rasch zu einem gefühlten Minus.

Mäßig ergiebig ist der Rest der Resultate: Abgesehen von der Ausbildungspflicht bis zum Alter von 18 Jahren und einer sicher sinnvollen Einstellungshilfe für ältere Arbeitslose wurde die Regierung nicht konkreter als im Programm. Bände spricht aber vor allem, was sie nicht verkündete. Vor der Klausur gab Faymann "Investieren und Sparen" als Motto aus - um den zweiten Teil dann unter den Tisch fallen zu lassen.

Das hat etwas von manisch-depressiver Sprunghaftigkeit: Bei den Regierungsverhandlungen stritten SPÖ und ÖVP beinahe hysterisch über die letztlich mit 18 Milliarden bezifferte Budgetlücke, jetzt ist plötzlich keine Rede mehr davon. Die bekannten Steuererhöhungen und Einsparungen nach der Rasenmähermethode reichen vielleicht für den Staatshaushalt 2014, nie aber für den gesamten Finanzbedarf. Über das Morgen schweigt sich die Regierung aus. Anders als bei früheren Sparpaketen legt sie keinen konkreten Konsolidierungspfad vor.

Es ist schon verständlich, wenn eine Regierung bei einer Klausur Frohbotschaften den Grauslichkeiten vorzieht. Doch die Schattenseiten völlig auszublenden mag zwar die innerkoalitionäre Harmonie steigern, untergräbt aber die eigene Glaubwürdigkeit. Kein Mensch traut einem Schönwettermacher, wenn am Horizont bereits die Gewitterwolken aufziehen. (Gerald John, DER STANDARD, 16.1.2014)