Szene aus "Tausche Familie", Donnerstag, 20.15 Uhr auf ATV+

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Zwei Welten: der Linzer Jugenderzieher Max Klinger (rechts) im Gespräch mit einem schwulen Paar.

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Erst als alles schon fast vorbei ist, kommt es zum Eklat. In einer Autobahnraststätte treffen sich sämtliche am Familientausch beteiligten Personen. Die Aussage "Schwulen und Lesben sind krank" des Linzer Jugenderziehers Max Klinger in der Autobahnraststätte bringt für das angesprochene Lesbenpaar Monika Hammerl und Alexandra Lehr das Fass zum Überlaufen. Die Szene endet mit einem Wutausbruch und einer beinahen Entblößung: Klinger will zeigen, was den Mann zum Manne macht. Die Kamera ist dabei.

In der fünften Folge der ATV+-Realitysoap "Tausche Familie" (Donnerstag, 20.15 Uhr) fliegen die Fetzen. Freilich nicht zum ersten Mal. Bereits in der ersten Folge rebellierte die pubertierende Tochter einer überdrehten Waldviertler Bäuerin gegen die strengen Erziehungsversuche einer biederen Wiener Krankenschwester. Ein sich gern in Frauenkleidern zeigender Wiener fand sich danach von einer Vorarlbergerin, die das nicht dulden wollte, gar auf die Straße gesetzt. Vorgeführt wird demnach, wie es ist, wenn verschiedene Milieus wie zwei Welten aufeinanderprallen. Spießig, ausgeflippt, arm, reich, konservativ, aufgeschlossen - jede Variante ist möglich.

Verantwortlich für die Konstellationen sind Senderchef Markus Andorfer und Redaktionsleiterin Asrid Jelinek. Sie suchen die Paarungen in Castings aus, die Akquirierung erfolgt teils durch Aufruftrailer und Internet, teils durch Mundpropaganda, mittlerweile melden sich aber auch schon Familien von selbst. Welches Familienmitglied wohin verschickt wird, darüber beraten sich die Sendungsbeteiligten. Die "Tauschobjekte" selbst erfahren von alldem nichts.

Andorfer und Jelinek bewiesen mitunter einiges Geschick in der Auswahl ihrer "Kandidaten". Auch die Lesben-Kleinbürger-Paarung lebt durch den teilweise recht herben Charme ihrer Protagonisten. Die einen, die sich als "Regenbogenfamilie" bezeichnen und sich als Puppenspielerinnen verdingen. Die anderen, die in einem patriarchalisch-hierarchischen Gefüge leben und die Strenge des Lebens erfahren müssen.

Spaß und Stress

Dabei bricht einiges auf: Die am Kühlschrank angebrachte Regelliste des Linzer Familienvorstands wird kurzerhand entfernt, der verstoßene 16-jährige Sohn wieder aufgenommen. Die Linzer haben Spaß, die Wiener hingegen Stress: Lehr, die mit ihrer Lebensgefährtin schon in Veras "Schicksalstag" Medienerfahrung sammelte, erfährt die Ressentiments gegenüber Homosexuellen am eigenen Leibe. Als sie den Jugenderzieher über den vermeintlichen "Papa" im Haus aufklärt, sei alles an ihm "zusammengefallen. Von dem Moment an hat er nur noch geschwitzt."

Vorwürfe, die dem stark polarisierenden Format eine gewisse Problematik bescheinigen, nämlich Sozialvoyeurismus zu betreiben, will man bei ATV+ so nicht sehen: "Wir versuchen uns mit Meinungsäußerungen und Werturteilen zurückzuhalten", erklärt Astrid Jelinek, räumt aber dennoch ein: "Ich glaube nicht, dass durch ,Tausche Familie' Meinungen verändert werden." Eher werde die eigene bestärkt, glaubt Jelinek.

Besonders augenscheinlich wurde das bei der letzten Begegnung, als eine farbige Familie mit vier Großfeldsiedlern zusammentraf. Die Holzhammer-Konstellation wurde vielfach als politisch nicht korrekt kritisiert. Jelinek: "Zu derb für wen? Jede Schicht hat eine andere Sprache." (Doris Priesching/DER STANDARD; Printausgabe, 14./15.8.2003)