Wer sich auf die Suche nach einem kostengünstigen Smartphone begibt, wird schnell feststellen, dass ein solches gemeinhin mit erheblichen Einschränkungen verbunden ist. Von schlechter Verarbeitung über Softwarefehler bis zu quälender Performance stolpert man hier über so manche Unerfreulichkeit.
Test
All dies will die Google-Tochter Motorola Mobility anders machen: Mit dem vertragsfrei bereits ab 170 Euro gehandelten Moto G soll bewiesen werden, dass ein gutes Smartphone nicht teuer sein muss. Ob dies gelingt, soll im folgenden Test näher beleuchtet werden.
Vergleiche
Schon auf den ersten Blick ist die Ähnlichkeit des Moto G zum großen Bruder Moto X unübersehbar, allen voran was die gebogene Rückseite betrifft. In Folge ist das Moto G an der dicksten Stelle 11,6 mm stark, an den Rändern hingegen nur 6 mm. Mit dieser Form liegt es sehr gut in der Hand, auch wenn gewisse Abstriche in der Verarbeitung gegenüber der Moto X offensichtlich sind. Das Gerät ist ein Spur schlechter ausbalanciert, die Knöpfe wirken billiger und mit 143 Gramm ist es auch etwas schwerer (Moto X: 130 g).
Individuell
Die individuelle Zusammenstellung des Äußeren, wie sie Motorola in den USA über das MotoMaker-Programm für das Moto X anbietet, gibt es hier natürlich auch nicht. Um dem Ganzen dann doch einen Hauch Persönlichkeit verleihen zu können, bietet Motorola verschiedenfärbige Rückpanele an. Der Wechsel verläuft dabei zwar etwas mühsam, was umgekehrt aber auch bedeutet, dass die Abdeckung trotz der Möglichkeit des Tauschs sehr gut sitzt.
Bildschirm
Als zentrales Merkmal bietet das 65,9 x 129,9 mm große Gerät einen 4,5 Zoll großen LCD-Bildschirm mit einer Auflösung von 1280 x 720 Pixel. Daraus ergibt sich eine Pixeldichte von 329 PPI – ein in dieser Kategorie wahrlich herausragender Wert. Auch bei der Bildqualität setzt sich das Moto G deutlich von dem ab, was andere Hersteller in dieser Preiskategorie sonst zu bieten haben. Das Bild ist sehr hell, Schriften sind hervorragend lesbar, lediglich die Farbechtheit könnte besser sein – aber hier patzen selbst Top-Smartphones gerne mal.
Prozessor
Für die nötige Rechenkraft sorgt ein Quadcore Snapdragon 400 (MSM8x26) von Qualcomm, der mit maximal 1,2 GHz getaktet wird, und dem eine Adreno 305 GPU (450 MHz) zur Seite steht. Und auch wenn es damit natürlich nicht mit aktuellen Top-Smartphones mithalten kann, so fällt das Verdikt im Alltagstest doch höchst positiv aus. Das Moto G erweist sich als durchgehend flink, die meisten Apps sind umgehend gestartet. Auch hier kann man sich also deutlich vom direkten Mitbewerb in dieser Produktkategorie absetzen.
Testlauf
Dies zeigt sich übrigens durchaus auch in Benchmarks, wo das Moto G interessanterweise nicht sonderlich weit vom Moto X entfernt ist, und gleichzeitig erheblich bessere Werte als teurere Geräte wie das HTC One Mini oder das Galaxy S4 Mini liefert.
RAM
Der Hauptspeicher ist auf 1 GB beschränkt, bei den meisten aktuellen Topgeräten bekommt man 2 GB. Wirklich große Unterschiede sind dadurch im Alltag nicht festzustellen, wenn man einmal davon absieht, dass natürlich im Hintergrund laufende Apps früher geschlossen werden müssen, um Platz für neu gestartete Programme zu machen.
Kamera
Am ehesten sind die für das Moto G vorgenommenen Kostenoptimierungen bei der Kamera festzustellen. Im Gegensatz zu Bildschirm und Rechenleistung erweist sich diese nämlich tatsächlich nur als mittelmäßig. Nominell liefert diese Bilder mit einer 5-Megapixel-Auflösung, die in der Realität gerne mal etwas unscharf daherkommen.
App
Motorola liefert dazu eine eigene Kamera-App, die weitgehend mit jener vom Moto X übereinstimmt, wenn man einmal davon absieht, dass der Start der Kamera per Schüttelbewegung hier nicht funktioniert. Die App ist jedenfalls schlicht gehalten, und löst bei einem Klick automatisch ein Foto aus, was Vor- und Nachteile birgt. Zwar lassen sich so wirklich flott Aufnahmen tätigen, gleichzeitig sammeln sich so schnell zahlreiche unabsichtlich getätigte Fotos an. Die Einstellungen sind als Ringmenü vom Rand des Bildschirms erreichbar und bieten unter anderem die Möglichkeit einen manuellen Fokus einzurichten.
Durchschnitt
Die Kombination aus Hard- und Software ergibt also keine wirklich schlechte Kamera, aber doch eine, die deutlich von aktuellen Topmodellen entfernt ist. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass an der Vorderseite eine zweite 1,3 Megapixel-Kamera für Videotelefonie und Co. angebracht ist.
Laufzeit
Als positive Überraschung stellt sich die Akkulaufzeit heraus. Obwohl das Moto G mit einem 2070-mAh-Akku rein nominell vergleichsweise schwach ausgestattet ist, liefert es doch sehr gute Werte. Bei durchschnittlicher Nutzung kratzte es an der Zwei-Tages-Grenze. Auch wenn sich solche Dinge im typischerweise kurzen Testzeitraum nur begrenzt zuverlässig überprüfen lassen – und all dies massiv vom eigenen Nutzungsverhalten abhängt – so bleibt dies doch ein erfreulicher Pluspunkt für das Moto G. Wer angesichts der abnehmbaren Rückseite auf einen einfach wechselbaren Akku gehofft hat, muss allerdings enttäuscht werden. Dieser ist nicht für den raschen Tausch gedacht, wie ein Aufkleber unmissverständlich darlegt.
Netzwerk
Abstriche gilt es in Netzwerkfragen hinzunehmen. So unterstützt das Moto G "nur" UMTS, also kein LTE, was hierzulande aber wohl verkraftbar ist – vor allem angesichts der von Motorola anvisierten Zielgruppe der preisbewussten Konsument_innen. WLAN wird nach 802.11 b/g/n unterstützt, es muss also auf 802.11ac verzichtet werden. Bluetooth 4.0 ist ebenfalls mit dabei.
Speicherplatz
Das Moto G ist in zwei Varianten verfügbar, einer mit 8 GB und einer mit 16 GB. Angesichts früherer Erfahrungen mit 8-GB-Modellen – etwa beim Nexus 7 (2012) – rechnen sich die 30 Euro, die die 16 GB-Variante derzeit extra kostet allemal. Immerhin darf nicht vergessen werden, dass auch das Betriebssystem – selbst wenn dies beim Moto G vergleichsweise schlank ist – so seinen Platz braucht. Also bleiben bei der 8 GB-Ausführung nur mehr 5,5 GB realer Platz übrig, den sich Musik, Filme und Apps teilen müssen. Das kann recht schnell eng werden. Zumal das Moto G auch keinen MicroSD-Slot zur Erweiterung anbietet. Da hilft es nur begrenzt, dass alle Käufer_innen des Geräts kostenlos zwei Jahre lang 50 GB bei Google Drive extra bekommen – auch wenn dies fraglos ein netter Bonus ist.
Android-Update
Ausgeliefert wird das Moto G derzeit mit Android 4.3, wobei die Updatewelle auf Android 4.4.2 bereits begonnen hat. Wer dieses noch nicht erhalten hat, kann die Aktualisierung sehr einfach manuell vornehmen, im Test verlief dieser Schritt problemlos. Mit dieser Aktualisierung dürfen sich die Käufer_innen vor allem auf eine weiter gesteigerte Performance und einen reduzierten Speicherverbrauch freuen.
Neuerungen in 4.4
Zudem sind – wie beim Nexus 5 – Statuszeile und Navigationsbereich nun transparent gestaltet, ansonsten entspricht der Launcher aber weiterhin jenem von Android 4.3. Den neuen Google-Dialer in "KitKat" hat Motorola hingegen übernommen. Dazu kommen andere Android 4.4-Features wie Druckerunterstützung und die – optionale – SMS/MMS-Integration in die Hangouts.
Softwareauswahl
Die Software des Moto G hält sich wie jene des Moto X eng an das "Stock Android" von Google. Im Gegensatz zu Samsung, LG und Co. ĺässt man die Kernoberfläche also weitgehend unangetastet und versucht sich durch einzelne zusätzliche Features vom Mitbewerb abzusetzen. Im konkreten Fall gehören dazu Motorola Assist, das automatisch vor Störungen in der Nacht oder auch bei Besprechungen bewahren soll, eine App zur Migration der Einstellungen oder eine eigene "Akku-Schonfunktion". Auch die bereits erwähnte, eigene Kamerasoftware sowie ein UKW-Radio sollen nicht vergessen werden.
Fehlersuche
Im Vergleich zum Moto X fehlen allerdings die wirklich herausragenden Funktionen, allen voran die Active Notifications oder die Sprachsteuerung im Ruhezustand. Beides ist jedoch den Hardwareunterschieden zwischen den beiden Geräten geschuldet. Active Notifications ist – ohne den Akku schnell zu leeren – nur mit einem AMOLED-Bildschirm möglich, das Moto G verwendet aber ein LCD-Panel. Und die Low-Power-Audio-Unterstützung des Moto X fehlt dem Snapdragon 400 des billigeren Modells ebenfalls.
Apps
Ansonsten gibt es die auch von den Geräten der Nexus-Linie gewohnte Riege an Programmen, also vom Mail-Client über die klassische Galerie bis zu Gmail, Google Maps und natürlich den Play Store. Interessanterweise fehlt Google+, auch Keep und Google Earth werden nicht von Haus aus installiert. Zudem geben sich Kalender und Tastatur zwar nach außen als reine Google-Apps, lassen sich aber nicht über den Play Store aktualisieren. Wer neuere Versionen dieser beiden Programme haben will, muss sie also wohl oder übel parallel zu den Vorhandenen installieren.
Play Store
Sehr erfreulich ist, dass sich Motorola ein Vorbild am Mutterkonzern nimmt, und praktisch alle der eigenen Apps über den Play Store anbietet – von Kamera über den Migrationsassistenten bis hin zur Startanimation. Weniger nett ist hingegen, dass keine einzige dieser Apps im Test automatisch zum Update angeboten wurde, obwohl bereits neuere Versionen erhältlich waren. Es lohnt sich also eventuell manuell im Play Store nachzuprüfen, ob eine Aktualisierung ansteht.
GPE
Wem all dies noch immer zu viel Modifikation durch Motorola ist, für den gibt es seit kurzem eine weitere Option: Das Moto G in der "Google Play Edition", bei der wirklich pures Google-Android wie bei den Nexusgeräten zu finden ist. Zwar wird dieses derzeit nur in den USA verkauft, wer daran interessiert ist, sollte aber ein entsprechendes Image auf ein herkömmliches Moto G flashen können, ist die Hardware doch identisch. Ob sich das angesichts der minimalen Unterschiede wirklich rentiert, muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden. Am Rande erwähnt sei, dass sich die eigenständigen Motorola-Apps zumindest derzeit nicht auf der Google Play Edition installieren lassen.
Verfügbarkeit
Zum Schluss noch eine wichtige Anmerkung: In Österreich ist das Moto G derzeit noch gar nicht offiziell veröffentlicht worden. Von Seiten Motorolas heißt es auf Nachfrage des WebStandards, dass man derzeit auch noch nicht wisse, ob sich diese Umstand jemals ändere. Ein wirkliches Hindernisstellt dies aber trotzdem nicht dar, da das Moto G bei einzelnen österreichischen Händlern auch so erhältlich ist – und zwar zum selben Preis wie in Deutschland.
Fazit
Motorola liefert mit dem Moto G ein Smartphone, dessen Preis/Leistungsverhältnis wahrlich beeindruckend ist. Vor allem Bildschirm und Performance stechen positiv heraus, lediglich die Kamera deutet an, in welcher Preisklasse man sich eigentlich befindet. All dies garniert mit zeitnahen Softwareaktualisierungen – in einer Preisklasse, die oftmals gar keine Updates erhält – ist schon ein echtes Kunststück. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 26.01.14)