Die Sex- und Drogenexzesse von Börsenmakler Jordan Belfort sind seit Freitag in den heimischen Kinos zu sehen. Doch die Praxis des "pump and dump" ist nur die Spitze des Eisbergs.

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Wien - In diesem "Heizraum" wurden Orgien gefeiert, Drogen konsumiert und Millionen verdient. Der Film The Wolf of Wall Street handelt von einem "Boiler Room" der 1980er-Jahre. So nannten die Finanzprüfer die Büros voller energiegeladener Verkäufer, die vor allem eines gemacht haben: das schnelle Geld auf Kosten der Kunden. Bei dieser Abzocke haben Broker ihren Kunden aggressiv übers Telefon vermeintlich "heiße" Aktien verkauft. Die wurden mit viel Kundenmitteln in die Höhe getrieben, ehe die Broker ausstiegen und die Kurse wieder kollabierten - "pump and dump" heißt die Abzocke daher auch. Dabei haben die "Wölfe" kräftig an den Kommissionen verdient, die Kunden ihre Ersparnisse verloren.

Mit diesem illegalen System war Jordan Belfort, auf dessen wahrer Geschichte der Film von Martin Scorsese beruht, bereits als 26-Jähriger in die Riege der Multimillionäre aufgestiegen. Berauscht von dem Geld wurden Drogenpartys gefeiert und Prostituierte gingen in seiner Brokerfirma Stratton Oakmont ein und aus. Die Gier kannte damals offenbar keine Grenzen. 1997 hat etwa einer der energiegeladenen Verkäufer von Stratton Oakmont gar versucht, einem Vollzugsbeamten der US-Börsenaufsicht SEC am Telefon eine "heiße" Aktie anzudrehen. Dass er mit jemandem telefonierte, der ihn hinter Gitter bringen konnte, war dabei wohl weniger wichtig als der nächste gewinnträchtige Verkauf.

Die US-Börsenaufsicht verfolgt auch noch heute ehemalige Mitarbeiter von Belfort, die nach dem Auffliegen des Skandals 1997 in anderen Firmen untergekommen sind. Knapp 5000 Broker in den USA haben berufliche Vergangenheit bei Firmen, die von der Börsenaufsicht wegen illegaler Praktiken zugesperrt wurden, hat jüngst eine Analyse des Wall Street Journal ergeben. Auch abseits der Halbwelt der Broker haben die Börsenaufsichten viel zu tun:

  • Insiderhandel: Der Hedgefondsmanager Steve A. Cohen hat mit seinem Fonds SAC Milliarden verdient. Im Vorjahr ist aber seine Investmentgesellschaft über den größten Insiderhandelsskandal aller Zeiten gestolpert. Er selbst ist zwar nicht angeklagt, aber SAC-Portfoliomanager sollen mehr als 200 Millionen Euro alleine mit Pharma-Aktien verdient haben. Sie hatten exklusiven Zugang zu klinischen Studien zur Wirksamkeit von Medikamenten und haben aus ihrem Insiderwissen Millionen gemacht.
  • Pyramidenspiel: In einem der größten Betrugsfälle der Geschichte hat Bernard Madoff Anleger um bis zu 64,8 Milliarden Dollar geschädigt. Er hat Investoren Gewinne ausgezahlt, die es gar nicht gab, sondern die er mit neuem Investorengeld lukriert hat. Bei Madoff hat die SEC vor 2008 mehrmals geprüft und nichts entdeckt. Dafür ist die Behörde seit 2010 aktiver und deckt jährlich knapp ein Dutzend solcher "Pyramidenspiele" oder "Schneeballsysteme" auf, bislang wurden 200 Individuen angeklagt.
  • Verbrecherische Händler: Auch innerhalb von Banken gibt es kriminelle Energie. Vor genau fünf Jahren hat Jérôme Kerviel etwa die französische Société Générale um knapp fünf Mrd. Euro geschädigt - mit falsch gelaufenen Wetten auf Europas Aktienmärkten. Im Vorjahr ist bei der US-Bank JPMorgan ein komplexes Wertpapiergeschäft mit exotischen Kreditderivaten implodiert. Ein Händler hatte eine enorme Position angehäuft, die die Bank nur mit hohen Verlusten verkaufen konnte. Die Schadenssumme, die der als "Londoner Wal" bezeichnete Händler verursachte: 6,2 Mrd. Dollar.

An der Wall Street gedeihen Grauzonen auch trotz der jüngsten Regulierungsversuche. So beklagen Behörden chronische Unterfinanzierung, die sie daran hindern, die strengeren Gesetze auch umzusetzen. David Meister leitete bei der Finanzaufsichtsbehörde CFTC die Abteilung für Strafverfolgung und hat im November 2013 seinen Rücktritt bekannt gegeben, weil die Behörde derart unterfinanziert sei, dass sie sogar im Fall des "Londoner Wals" keine Anklagen erheben konnte.

Die Finanzkrise hat aber vor allem das Verhältnis zwischen Bankern und Kunden erschüttert. Das gilt selbst für professionelle Investoren, wie europäische Banken, die beim Kauf komplexer Kreditpapiere in der US-Krise Milliarden verzockt haben. Bei der Investmentbank Goldman Sachs wurden unbedarfte Klienten als "Muppets" verspottet - wie der Ex-Goldman-Banker Greg Smith öffentlich kritisierte. Die Wölfe finden offenbar immer ihre Schafe. (Lukas Sustala, DER STANDARD, 18.1.2014)