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Das Blutgefäßsystem des Menschen für eine Ausstellung in Barcelona in ein Modell aus Polymer gegegossen.

Foto: Reuters/Gustau Nacarino

Plötzlich ist es da: ein Ziehen im Bein, begleitet von äußerst unangenehmen und zunehmenden Schmerzen. Der Laie könnte dies für einen einfachen Muskelkrampf halten, doch die Lage ist ernster. Das Bein schwillt an, es wird seltsam warm. Dann beginnt die Haut, sich rot und anschließend bläulich zu verfärben. Beunruhigt sucht der Betroffene einen Arzt auf. Dessen Diagnose ist glasklar. Der Patient hat eine Venenthrombose. Die Behandlung muss sofort eingeleitet werden.

Thromben, die direkten Auslöser von Thrombosen, sind Blutgerinnsel mit hohem Risikopotenzial. Sie können sich in vielen Gefäßen bilden und dabei den Blutfluss stören oder gar komplett blockieren. Treten sie in Arterien auf, werden bestimmte Gewebe oder Organe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Das kann lebensgefährliche Folgen haben. Schlimmstenfalls sterben ganze Zellverbände ab, das Organ versagt.

Freie Radikale

Oft werden Gerinnsel losgerissen und treiben zunächst frei in der Blutbahn umher, bis sie sich irgendwo festsetzen. Solche Thromben bezeichnet man als Embolien. Besonders bedrohlich sind diese, wenn sie im Herzen, im Gehirn oder in den Lungen landen. Es kommt dann schnell zu Infarkten oder Schlaganfällen.

Fachleute unterscheiden je nach Entstehungsort zwischen venösen und arteriellen Thrombosen. Die Probleme können vielerlei Ursachen haben. Arterielle Thromben bilden sich oft infolge von Schäden an den Blutgefäßwänden, wie zum Beispiel im Falle einer Artherosklerose. Der Entzündungsherd dient quasi als Kristallisationspunkt, an dem der komplexe Prozess der Blutgerinnung ansetzt. Verletzungen können ebenfalls eine solche Reaktion zur Folge haben. Manchmal führen Turbulenzen im Blutfluss an Verzweigungen im Gefäßsystem zur Thrombenbildung - ähnlich, wie sich in Fließgewässern Sedimente ablagern.

Im Fluss bleiben

Bei venösen Thrombosen spielt Bewegungsmangel häufig eine entscheidende Rolle. Eine Frage der Dynamik: Bei geringen Fließgeschwindigkeiten können sich eher Klümpchen bilden. Bewegung schützt dagegen. "Durch die Aktivität der Muskeln wird das Blut aus den Beinen gepumpt", erklärt der Angiologe Thomas Gary von der Med-Uni Graz. Dementsprechend tritt so manche Thrombose nach Interkontinentalflügen auf, bei denen die Passagiere stundenlang sitzen. Bettlägerige Spitalspatienten sind noch viel stärker gefährdet und bekommen vorbeugende Medikamente sowie Spezialstrümpfe verordnet.

In Mitteleuropa beträgt die Gesamthäufigkeit von schweren Thrombosen etwa drei Fälle pro 1000 Personen pro Jahr. Das Risiko steigt mit zunehmendem Alter, wie Gary betont. Menschen, die bereits einen Schlaganfall erlitten haben, seien aufgrund ihrer eingeschränkten Mobilität ebenfalls verstärkt thrombosegefährdet, erläutert Gary. Bei Krebspatienten sind vor allem diejenigen mit einem Pankreas-Karzinom oft von einer Thrombose betroffen. Der Tumor liegt in unmittelbarer Nähe zur unteren Hohlvene und kann diese einengen.

Behandlung und Prophylaxe erfolgen meistens medikamentös über die Verabreichung von Gerinnungshemmern. Derlei gibt es einige. "Heparine sind bei akuten venösen Thrombosen das Mittel der Wahl", sagt Thomas Gary. Seit einigen Jahren steht hierfür auch Rivaroxaban zur Verfügung. Die häufig als Blutverdünner angepriesene Acetylsalicylsäure, kurz Aspirin, hat im venösen Bereich eine zu geringe Wirkung, kann aber gut gegen arterielle Thrombosen eingesetzt werden, erklärt der Facharzt.

Gerinnung blockieren

Für Langzeittherapien gegen arterielle Embolien greifen Mediziner oft zu neuen Wirkstoffen wie Dabigatran oder Apixaban. Cumarin-Derivate gelten als die klassischen Präparate.

Natürliches Cumarin kommt in vielen Pflanzenarten vor. Die chemisch modifizierten Varianten sind potente Gerinnungsblocker. Die Dosierung muss allerdings mit äußerster Präzision erfolgen, sonst können schnell innere Blutungen entstehen. Hochkonzentrierte Cumarine werden häufig als Rattengift eingesetzt.

Menschen mit Vorhofflimmern sind eine spezielle Teilgruppe der Thrombosepatienten. Bei ihnen fördert die Herzrhythmusstörung durch unregelmäßigen Blutfluss die Bildung von kleinen Thromben im linken Vorhof des Herzens. Diese Gerinnsel lösen sich leicht ab und werden so zu Embolien. Eine blutverdünnende Therapie schafft Abhilfe. Durch das endoskopische Einpflanzen eines sogenannten Watchman-Devices zum Verschluss des blinden Bereichs im linken Vorhof lässt sich bei manchen Betroffenen die Entstehung von Thromben ebenfalls verhindern. Womöglich eine Technik mit Zukunft. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, 21.1.2014)