Regensburg - Um die erfolgreiche Gründung einer neuen Kolonie zu gewährleisten, entwickelte eine philippinische Ameisenart ungewöhnliche Verhaltensweisen. Ein Forscherteam um Jürgen Heinze von der Universität Regensburg hat nun entdeckt, dass bei der Spezies Cardiocondyla argyrotricha die Ameisenköniginnen mit ihren eigenen Söhnen Nachkommen hervorbringen. Der Grund dafür ist, dass es insgesamt nur eine geringe Anzahl von potenziellen Paarungspartnern gibt - und selbst die wenigen Männchen fallen zu einem Gutteil Rivalitätskämpfen zum Opfer.
Sexuelle Kontakte zwischen blutsverwandten Artgenossen sind bei sozial lebenden Hautflüglern – beispielsweise bei Wespen oder Ameisen – außerordentlich selten. Die jeweiligen Königinnen sind normalerweise sehr darauf bedacht, Inzucht zu vermeiden, da dies zu einer größeren Zahl von sterilen Männchen – anstelle von weiblichen Arbeiterinnen – führen kann. Zudem paaren sich die Königinnen zumeist nur zu Beginn ihres Lebens und außerhalb ihres eigenen Geburtsnestes. Aus den befruchteten Eiern entstehen dann weibliche Arbeiterinnen.
Bei der tropischen Ameisenart Cardiocondyla argyrotricha kommt es hingegen regelmäßig zu Kontakten im Geburtsnest und häufig zwischen Blutsverwandten. Die Gründe liegen in den artspezifischen Bedingungen von Cardiocondyla argyrotricha. So verfügen die Kolonien mit jeweils einer Königin lediglich über ein eierlegendes Weibchen. Die Geburtsrate an potentiellen männlichen Paarungspartnern ist darüber hinaus gering, wobei sich die flügellosen Männchen zudem in tödliche Kämpfe mit ihren Rivalen einlassen, um das alleinige Recht zur Paarung mit allen Neuköniginnen im Nest für sich zu beanspruchen. Die jungen Königinnen laufen somit Gefahr, ohne möglichen Paarungspartner dazustehen.
Söhne aus unbefruchteten Eiern
Um diesem Problem zu begegnen, greifen sie auf eine ungewöhnliche Lösung zurück; auf der Grundlage der Tatsache, dass bereits unbegattete Königinnen Eier legen können – unbefruchtete Eier, aus denen sich männliche Artgenossen entwickeln. So verpaaren sich die "jungfräulichen" Königinnen mit ihren eigenen Söhnen, um befruchtete Eier zu produzieren, aus denen wiederum weibliche Arbeiterinnen entstehen können.
Dies erlaubt es der Ameisenart, neue Kolonien zu gründen, auch wenn nicht genügend männliche Paarungspartner vorhanden sind. Das außerordentliche Paarungsverhalten hat dabei Methode: Im Rahmen ihrer Forschungen beobachteten die Regensburger Wissenschafter die Entwicklung in insgesamt 31 – künstlich bzw. durch die Forscher erschaffenen – Ameisenkolonien. In jeder einzelnen Kolonie konnten die Königinnen erst dann befruchtete weibliche Eier legen, wenn einer ihrer Söhne für die Reproduktion zur Verfügung stand. Dem Forscherteam gelang es dabei erstmals, eines der Mutter-Sohn-Paare bei der Kopulation zu filmen.
Die Ergebnisse der Regensburger Zoologen weisen darauf hin, dass solche Formen der Paarung zwischen blutsverwandten Artgenossen auch bei anderen sozial lebenden Insekten unter jeweils besonderen artspezifischen Bedingungen zu finden sein könnten. (red, derStandard.at, 28.1.2014)