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Auch die Voest würde bei ihrer geplanten Großinvestition in ein Stahlwerk in den USA von verbessertem Investorenschutz profitieren.
Europäische Globalisierungsgegner haben einen ersten Erfolg errungen: Die Verhandlungen über das US-amerikanisch-europäische Freihandelsabkommen werden, wie DER STANDARD berichtete, unter dem Druck einer aufgebrachten Öffentlichkeit zum Teil ausgesetzt. Über die investor-state dispute settlement (ISDS) genannte Investitionsschutzklausel wird vorerst nicht verhandelt.
Freihandelsgegner am linken und rechten politischen Rand lehnen eigentlich das gesamte Paket der Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) ab und würden die Verhandlungen gerne allgemein stoppen. Aber weil die Idee des freien grenzüberschreitenden Austausches von Gütern auf dem der wachsende Wohlstand der westlichen Welt beruht, inzwischen weitgehend akzeptiert wird, haben sie sich auf eine Klausel eingeschossen, die besonders bedrohlich klingt: Ausländische Investoren würden unter dem TTIP das Recht erhalten, Staaten vor Geheimgerichten zu klagen und damit demokratische Entscheidungen, die ihre Interessen berühren, auszuhebeln.
Was wie ein Rezept für eine Verschwörung der Großkonzerne gegen die kleinen Leute klingt, ist in Wirklichkeit heute schon ein fixer Bestandteil der internationalen Wirtschaftswelt – und ein sehr nützlicher. Aber wenn man die Begriffe geschickt manipuliert, wie es Globalisierungsgegner wie Attac und Avaaz tun, dann kann man damit viele Emotionen hervorrufen.
Angst vor Diskriminierung
Wer in einem anderen Land investiert, hat immer die Sorge, dass er von der dortigen Regierung schlecht behandelt – drangsaliert, diskriminiert oder gar enteignet wird. Macht haben Investoren immer nur, bevor sie eine Investitionsentscheidung treffen. Haben sie einmal ein Unternehmen gekauft oder eine Fabrik gebaut, wird ein Rückzug sehr teuer.
Vor nationalen Gerichten fühlen sich ausländische Unternehmen meist im Nachteil, vor allem wenn sie einen Konflikt mit der Regierung ausfechten. Aber auch im Streit mit inländischen Unternehmen müssen sie oft fürchten, gerade vor den unteren Instanzen wenig Gehör zu finden.
Das gilt nicht nur für korrupte Diktaturen in der Dritten Welt, sondern auch für Demokratien: Welche Chance hätten österreichische Banken oder Bauern, gegen die jüngsten Maßnahmen der Regierung Orban, die eindeutig gegen Ausländer gerichtet sind, vor einem ungarischen Gericht Recht zu bekommen?
Tausende bilaterale Investitionsschutzabkommen
Da solche Befürchtungen Investitionen grundsätzlich hemmen und damit wirtschaftliche Möglichkeiten vernichten, wurden zwei Wege entwickelt, um den Rechtsschutz für ausländische Investoren zu verbessern: Es gibt weltweit tausende bilaterale Investitionsschutzabkommen (BITs), mit denen sich Länder untereinander eine faire Behandlung ihrer Unternehmen garantieren.
Und außerdem fügen Unternehmen vor größeren Investitionen gerne Schiedsklauseln in ihre Verträge ein, die sie von nationalen Gerichten unabhängig machen. Die Schiedsgerichtsbarkeit ist einer der am schnellsten wachsenden Rechtsbereiche: Österreichische Anwälte sind da auch höchst aktiv und bewerben weltweit den Schiedsort Wien.
In einem Schiedsverfahren ernennt jede Seite einen Schiedsrichter, meist einen erfahrenen Juristen, und die beiden suchen einen Dritten, der als Vorsitzender agiert. Damit ist eine gewisse Fairness gesichert. Viele BITs sehen Schiedsgerichte grundsätzlich vor.
Weit verbreitete Schiedsverfahren
Schiedsverfahren werden stets in Drittländern geführt; dort können sie zwar vor nationalen Gerichten ausgefochten werden, aber nur in Ausnahmefällen. Entscheidend ist aber, dass sich Staaten in der New Yorker Übereinkommen verpflichtet haben, rechtsgültige Schiedssprüche anzuerkennen und zu vollstrecken. Tun sie das nicht, werden alle Investoren einen weiten Bogen um sie machen. Ohne diesen Schutz würde wohl kein Unternehmen in Afrika nur einen Dollar investieren.
Was einst vor allem für Investitionsschutz in Entwicklungsstaaten gedacht war, wird immer öfter auch innerhalb von Europa angewandt, vor allem in Bezug auf die neuen EU-Staaten. Aber auch der jahrelange Streit zwischen der Familie Dichand und der deutschen WAZ-Gruppe über die Kronen Zeitung lief über Schiedsgerichte.
Zwischen Europa und den USA sind BITs eher selten, weil man sich auf nationale Gesetze und Gerichte ganz gut verlassen kann. Aber auch Investoren in den USA wären oft dankbar, wenn sie eine Alternative zu den oft unberechenbaren Geschworenengerichten des Landes hätten.
Vereinheitlichung bisher gescheitert
Schiedsgerichte arbeiten grundsätzlich hinter verschlossenen Türen; was sie über das Verfahren bekanntgeben, liegt in der Entscheidung der Schiedsrichter selbst.
Seit rund 20 Jahren wird nun versucht, die verwirrende und oft widersprüchliche Vielzahl von BITs durch ein internationales Abkommen zu vereinheitlichen. Ende der 1990er-Jahre handelten die Industriestaaten unter dem Schirm der OECD das Multilateral Agreement on Investments (MAI) aus. Die erste internationale Internet-Kampagne der Geschichte brachte das Abkommen zu Fall – mit ähnlichen Argumenten, die heute gegen das ISDS vorgebracht werden.
Versucht wird auch, die Schiedsgerichtsbarkeit an einem Ort zu bündeln und ihre Regeln zu vereinheitlichen. Damit wären sie billiger und berechenbarer.
Nafta als Vorbild für US-EU-Abkommen
Eine solche Investitionsschutzklausel mit einem eigenem Schiedsgericht findet sich in der Nordamerikanischen Freihandelszone (Nafta). Dort wird sie auch zwischen den USA und Kanada angewandt. Und das ist das Vorbild für das US-EU-Abkommen.
Das Klagsrecht für Unternehmen bedeutet nicht, dass sie jede politische Entscheidung aushebeln können. Nafta und auch das geplante TTIP anerkennen das Recht von Demokratien, ihre Gesetze zu ändern. Aber ebenso wie der Verfassungsgerichtshof bei uns Unternehmen einen Vertrauensschutz zuspricht und in manchen Fällen den Staat zu Schadenersatzzahlungen zwingt, wenn sich Regeln überfallsartig ändern, soll dies auch in Zukunft zwischen den USA und Europa gelten.
Auch die Voest würde bei ihrer geplanten Großinvestition in ein Stahlwerk in Texas von verbessertem Investorenschutz profitieren.
Leichtfrieds Populismus
Dass selbst der SPÖ-Delegationsleiter im Europaparlament, Jörg Leichtfried, dies als Bedrohung für Umwelt- und Sozialstandards bezeichnet, zeigt, wie leicht sich hier populistisches Kleingeld schlagen lässt.
Ein vereinheitlichtes Investitionsschutzabkommen zwischen den USA und Europa, das alle bestehenden BITs ersetzen würde, wäre sinnvoll. Aber entscheidend ist es nicht. Viel wichtiger ist die Liberalisierung von Warenhandel und Dienstleistungen, die durch den Widerstand gegen den Investorenschutz nicht aufgehalten werden soll.
So falsch ihre Argumente auch sind: Solange sich die Globalisierungsgegner nur auf den Rechtsschutz für Investoren einschießen, ist noch nicht viel verloren. (Eric Frey, derStandard.at, 22.1.2014)