Das Aufnahme mit einem Transmissions-Elektronenmikroskop zeigt Viren aus dem tiefen Meeresboden. Die Viren setzen sich an der Oberfläche von Bakterien fest und injizieren ihre DNA in die Zellen, aus denen neue Viren hervorgehen.

Foto: Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ

Extreme Lebensräume bringen auch extreme Lebensgemeinschaften hervor. Dies gilt auch für Gemeinschaften von Mikroorganismen, wie eine aktuelle Untersuchung zeigt: Deutsche Wissenschafter haben festgestellt, dass tief in alten und nährstoffarmen Meeressedimenten Viren die Rolle der Räuber übernommen haben. Die Forscher fanden in dort bis zu 225 Mal mehr Viren als Bakterien vor. Damit stellen in diesen extremen Biotopen nicht mehr die bakteriellen Mikroorganismen die größte Fraktion der lebenden Biomasse dar.

Die Forscher von alten und nährstoffarmen Meeressedimenten fanden heraus, wie sich mit zunehmender Nährstoffarmut das Verhältnis von Viren zu Mikroben immer stärker hin zu den Viren verschiebt. "Schon seit einigen Jahren ist bekannt, dass die Masse aller lebenden Mikroben im Meeresboden mindestens genauso groß ist wie die der Bewohner der darüber liegenden Weltmeere", sagt dazu Jens Kallmeyer vom GFZ. "Eine bisher vernachlässigte Unbekannte sind allerdings die Viren."

Viren steuern Bakterien-Population

In diesen extremen Lebensräumen übernehmen offenbar Viren die Rolle von räuberischen Organismen: Sie steuern die Größe und Struktur der mikrobiellen Population. Die überraschend hohe Zahl der Viren wird damit erklärt, dass sich in den zwar kleinen aber aktiven Bakterienpopulation Viren permanent vermehren. Diese bleiben länger erhalten, weil die wenigen Mikroben weniger Enzyme produzieren, welche die Viren zerstören.

Bisherige Messungen im Meerwasser und oberflächennahen Sedimenten konnten zwar zeigen, dass Viren etwa zehnmal häufiger sind als Mikroben, aber aufgrund ihrer wesentlich kleineren Masse keine große Rolle bei der Gesamtmenge der lebenden Biomasse spielen. Außerdem wurde angenommen, dass hauptsächlich räuberische Organismen wie beispielsweise andere Einzeller, oder auch Würmer oder Schnecken die Größe der Mikrobenpopulation steuern. Die jetzt im "ISME Journal" vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass diese einfachen Annahmen so nicht haltbar sind. (red, derstandard.at, 25.01.2014)