Der Schwede PewDiePie ist mit 21 Millionen Abonnenten aktuell der mit Abstand erfolgreichste "Let's Player" und stellt in seinen Sendungen unter anderem neue Videospiele vor.

Foto: Screenshot/Youtube

Youtube hat die Medienwelt mit seinen Millionen Videos enorm bereichert. Vom Musikclip über die Kochanleitung bis zum Autotest sind Information und Entertainment nur einen Klick entfernt. Besonders beliebt sind nutzergenerierte Inhalte. Der Nachbar von nebenan erklärt einem, welches Handy man sich kaufen sollte, die gelernte Visagistin gibt nützliche Schminktipps und ein Schüler zeigt als so genannter "Let's Player", was das neueste Videospiel kann. Durch die Webcam betrachtet, erhält die Information eine persönliche Note. Anders als bei aalglatten Nachrichtensprechern oder herausgeputzten Fernsehmoderatoren wirkt der Ratschlag des Youtubers authentisch. Wie von einem Freund, dem man vertrauen kann. Doch wie die vergengenen Tage abermals belegten, ist das ein Schluss, der trügen kann.

Spielplatz für die Werbung

Denn die Breite an Inhalten und die globale Reichweite Youtubes hat nicht nur die Sehergewohnheiten verändert, sondern auch fürs Marketing ungeahnte Möglichkeiten eröffnet. Egal, ob man ein einsamer Blogger oder ein großer Produzent ist: Durch ein ausgefeiltes Werbesystem von Betreiber Google kann jeder an den Werbeeinnahmen mitschneiden und Geld verdienen. Wie viel im Einzelfall genau mit vorgeschalteten Werbeclips oder beistehenden Textanzeigen eingenommen wird, obliegt komplexen Algorithmen. Doch hat man mit seinen Videos einmal mehrere zehntausend Seher oder gar mehr und publiziert vielleicht auch noch täglich, kann man schön langsam von der professionellen Youtuberei leben.

Für den außenstehenden Betrachter wirkt das auf den ersten Blick transparent. Wie bei traditionellen (Qualitäts-)Medien werden Inhalte und Werbung von einander getrennt. Doch wie diese Woche ins Netz durchgesickerte Verträge der Videospielhersteller Microsoft und Electronic Arts mit Youtube-Partnern zeigen, verschwimmen hier die Grenzen öfter als vielleicht angenommen. Über Bonuszahlungen für Youtuber sicherten sich die Unternehmen positive Berichterstattung zur Spielkonsole Xbox One, dem Kriegsspiel "Battlefield 4" und anderen Produkten in vermeintlich nicht gesponserten Beiträgen. Wenngleich Vertragsdetails durch Schweigeklauseln nicht an die Öffentlichkeit geraten hätten sollen, gab man sich von Konzernseite schlussendlich unverblümt:Die direkte Einflussnahme auf nicht als Werbung deklarierte Inhalte sei ein ganz normales Geschäftsgebaren zwischen Firmen und Youtubern.

Fehlende Gewaltentrennung

Die direkte, nicht gekennzeichnete Einflussnahme auf Produktvorstellungen oder -Tests ist möglich, weil die Vermarktung von Inhalten über die von Google geschaltete Werbung hinaus noch weitgehend lose gehandhabt wird. "Google gibt Kriterien vor, nach denen Werbung geschaltet wird. Kanäle werden geratet. Aber alles, was im Video geschieht, ist noch recht unreglementiert", erklärt ein Youtube-Netzwerkpartner, der nicht namentlich genannt werden möchte, gegenüber dem GameStandard.

Erleichtert wird den Konzernen das Spiel, da Youtuber in der Regel Einzelpersonen sind, denen die Gewaltentrennung klassischer Medienschaffender zwischen Redaktion und Werbeverkauf fehlen. Professionelle Youtuber können hervorragende Journalisten, Musiker oder Schauspieler sein, durch die Freiheit der Eigenverantwortung können sie bis zu einem gewissen Grad aber auch zum Verkäufer ihrer Inhalte werden. Ein Redakteur beim einem TV-Sender oder einer Tageszeitung wird für seine Arbeit vom Herausgeber bezahlt und ist dezidiert nicht für die Lukrierung von Einahmequellen zuständig. Ein wichtiges Kriterium eines Qualitätsmediums, um die Einflussnahme von außen zu unterbinden.

Um ihre Arbeit zu finanzieren, können Youtuber hingegen abseits von Werbung direkt Sponsoring-Deals mit Unternehmen abschließen. Diese umfassen beispielsweise Produktplatzierungen und Gewinnspiele, im Rahmen derer nicht nur Waren zur Verfügung gestellt werden, sondern es in vielen Fällen efektiv um finanzielle Unterstützung geht. Dem Netzwerkpartner zufolge, der mehrere dutzend Youtuber verwaltet und dafür einen Teil der Werbeeinnahmen kassiert, muss diese Einflussnahme durch Hersteller nicht deklariert werden.

Werbeträger

Will man als Youtuber diese Art des Sponsoring klarstellen, ist es einem selbst überlassen, darauf hinzuweisen. Google stellt noch keine Werkzeuge und Vorlagen dafür bereit. Diese Querfinanzierung wird vor allem dann interessant, wenn man als einzelner Youtuber groß genug ist, um das Interesse von Unternehmen auf sich zu ziehen. Im Gegensatz zu einem Angestellten bei einem Medium ist es dem Youtuber auch praktisch selbst überlassen, wo er seine ethischen Leitlinien ansetzt. Externe Kontrollorgane wie einen Journalistenverband oder einen Medienrat gibt es nicht. Dies erleichtert die Rollenvermischung aus Medienschaffenden und Werbeträgern.

Wurde beispielsweise der ehemalige ZDF-Fernsehmoderator Johannes B. Kerner vom deutschen Journalistenverband 2007 heftig für seine Werbeaktivitäten kritisiert, war es für den deutschen Youtube-Star Gronkh mit 2,5 Millionen Abonnenten im Gegensatz dazu kein Problem, über Videospiele zu berichten und Ende 2013 gleichzeitig für Sony den Marktstart der Spielkonsole PlayStation 4 auf einem Live-Event in Berlin zu moderieren und zu bewerben. Und kleinere Youtuber haben über die oben genannten Sammeldeals und Bonuszahlungen ebenfalls eine Chance, ihre Inhalte abseits der Werbung zu monetarisieren. Damit soll zwar nicht suggeriert werden soll, dass an einen "Let's Player" die gleichen ethischen Ansprüche gestellt werden müssen, wie an einen ZDF-Moderator. Dennoch: Wenn man Youtuber als Medienschaffende ernstnehmen und ihnen vertrauen möchte, gilt es auch hier irgendwo Grenzen zu ziehen. "Wir sind bei Youtube dort, wo wir bei Online-Medien vor zehn Jahren waren", gibt der Youtube-Partner zu bedenken.

Wilder Westen

Was fokussiert auf Videospiele oder Kosmetika, die von Fashionbloggerinnen freundschaftlich empfohlen werden, wie ein akzeptables Übel erscheinen mag, kann weitergedacht auf andere Branchen und Güter wie Medizin oder Lebensmittel in Zukunft zu einem gravierenden Problem werden.

Schwarze Schafe gibt es gewiss auch in klassischen Medien zuhauf, weshalb dies in keinem Fall ein Fingerzeig auf eine aufstrebende neue Zunft sein soll. Umso wichtiger ist es aber, schon früh Ungereimtheiten aufzuzeigen. Es ist ein viel zu komplexer und undurchsichtiger Apparat, der hinter der Monetarisierung der Millionen Menschen erreichenden Youtube-Videos steht und die Vermischung von Inhalten und Werbung fördert. Will Google, dass man auch künftig Youtubern vertrauen kann, müsste der Konzern klare Grenzen ziehen, will man Youtube nicht zur Werbeplattform von Firmen verkommen lassen. Eine Forderung, die es als Leser, Seher und Hörer selbstverständlich auch bei traditionellen Medien immer wieder auszusprechen gilt. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 25.1.2014)

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