Eines Tages, Baby, werden wir alt sein, oh Baby, werden wir alt sein und an all die Geschichten denken, die wir hätten erzählen können." Und weiter: "Ich würd' gern so vieles tun, meine Liste ist so lang, aber ich werd’ eh nie alles schaffen, also fang ich gar nicht an." Doch es besteht Hoffnung, Baby. Denn man kann sein Leben gestalten, um später, im Alter, in den "Geschichten" zu schwelgen, die "für immer unsere sind". 

Es waren große, ge­lassen ausgesprochene Worte, die die aus Bremen gebürtige Julia Engelmann vergangenen Mai beim 5. Bielefelder Hörsaal-Slam dem Publikum zu Gehör brachte. Ein halbes Jahr lang stand der von Asaf Avidans Song One Day / Reckoning in­spirierte Text der Slammerin im Netz herum, ohne dass etwas passierte. Am 11. Jänner stieß dann der Koblenzer Blogger Kai Thrun auf Engelmanns Beitrag, der damals 5000 Zugriffe verzeichnete. Thrun vermutete, dass das Youtube-Filmchen "viral" gehen könnte. Und so war es dann auch. Mehr als 3.000.000 Zugriffe machten das Video in wenigen Tagen zum Hit und die am 13. Mai 1992 geborene Julia Engelmann zum Internet-Star.

Bald nahmen sich auch die alten Medien in ihren Feuilletons der jungen Frau an, in der man endlich eine typische Vertreterin der Generation "Maybe" gefunden zu haben glaubte. Seither gehen die Wogen hoch, vor allem bei der Suche nach den Gründen, die zum Erfolg dieser nicht allzu tiefgründigen Absage an ein überformtes Leben geführt haben mögen. 

Eine gänzlich Unbekannte war Julia Engelmann, die gegenwärtig in Bremen Psychologie studiert, allerdings schon vorher nicht. Immerhin hatte sie von 2010 bis 2012 in der RTL-Soap Alles was zählt die Profi-Eishockeyspielerin Franziska Steinkamp gegeben, was nicht schlecht passte, schließlich wollte Engelmann, die gern Tagebuch schreibt und auch sonst oft ihre Gedanken notiert, als Kind Eisprinzessin werden. 

Später, so Engelmann in einem Interview, "habe ich ganz viel Jugendtheater gemacht, auch ein bisschen Musical- und Tanztheater". Als nach einem Casting dann die Rollenzusage für Alles was zählt kam, habe es die heute 21-Jährige "voll weggebasht". Gewonnen hat Julia Engelmann besagten Bielefelder Slam übrigens nicht. Der Sieger hieß damals Christian Ritter, der auch schon ein Buch mit dem schönen Titel Geschlechtsverkehr. Eine Einführung geschrieben hat. Ritters Youtube-Video hat 40.000 Zugriffe. Noch.  (Stefan Gmünder, DER STANDARD, 23.1.2014)