Wien - Nach dem Tod des englischen Königs Karl I. im Jahr 1649 wurde dessen Kunstsammlung versteigert und damit zerschlagen; die Sammlung Este zerfiel nach den Napoleonischen Kriegen. Warum? Nachfolger und Erben teilten nicht die gleichen Leidenschaften wie die Sammler.
Auch wenn das Wort "Zerschlagung" nicht fällt, hängt es bedrohlich über den Worten von Dietrich Karner. Das Aufsichtsratsmitglied des Generali-Konzerns Österreich stellte sich am Donnerstag in der Generali Foundation Fragen zum Beschluss, den Kunstverein und die Sammlung im Rahmen einer Partnerschaft mit dem Museum der Moderne (MdM) nach Salzburg zu überführen und den Standort Wien Ende 2015 aufzugeben (DER STANDARD berichtete).
Am Rande der Pressekonferenz, die eigentlich der Retrospektive Ulrike Grossarth gewidmet war und nun zur Kulisse wurde, unterstrich Karner die Dringlichkeit des Schrittes. Er betonte, als "Initiator" der Foundation, sei die Foundation ihm eine Herzensangelegenheit. Tiefe Krisensitutaionen wären nur ohne Einschnitte zu bewältigen, wenn "man einen breiten Rücken" habe. Eine Mehrheit der Wirtschaftstreibenden betrachte kulturelles Engagement aber als Hobby, erläutert Karner Schwierigkeiten und Gegenwind in einem internationalen Konzern. Mit seinem 75. Geburtstag Ende Jänner werde er sich endgültig aus der Generali, wo er zuletzt Aufsichtsrat war, zurückziehen. "Mein großes Bedürfnis ist es, das Überleben sicherzustellen. Nicht für die nächsten fünf Jahre, sondern die nächsten 25." Und: "Lieber diese Lösung als anschließend einen Schwerbenhaufen. Dieses Szenario konnte ich nicht ausschließen."
Sabine Folie, Direktorin der Generali Foundation, fasste sich ob des "Ausnahmezustands" kurz. Die Konsequenzen wären noch nicht abzusehen. Man überlege nun, "wie und ob eine solche Situation produktiv zu nutzen" sei. Freilich wären die Budgetverhandlungen seit Jahren "prekäres Thema" gewesen, sie hätte daraus aber keine Hinweise für anstehende Veränderungen ableiten wollen. Folie und ihr Team hatten erst kurz vor der Pressekonferenz in Salzburg am vergangenen Freitag von der Entscheidung erfahren. Ein Affront für den Karner sich entschuldigte: Die Salzburger Politik hätte dies zur Bedingung gemacht. Diese hätten "Querschüsse" befürchtet.
Option Mumok
Das MdM war nicht die einzige Option. Mit dem Mumok hätte es bereits früh, in der Ära Köb, Gespräche gegeben. Allerdings hätte es zu einer Vergrößerung von deren Ausstellungsfläche kommen müssen. Die Sammlung (Eigentum verschiedener Konzernteile) in eine Stiftung zu überführen und so zu schützen, sei keine Möglichkeit, da das notwendige Stiftungskapital in diesen Zeiten nicht aufzutreiben sei.
Auch die Behauptung, das Budget für die Foundation werde gleich hoch bleiben, relativierte sich bei der Pressekonferenz auf die Bereiche Ankauf und Ausstellung. Einsparungen ergeben sich durch den Abbau von neun Mitarbeitern. Ob die Generali an den Kosten für den Bau des Depots beteiligt wird, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.
Der Salzburger Kulturlandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) hatte am vergangenen Freitag betont, die Bestellung Breitwiesers sei unabhängig von der Sammlung der Generali Foudation getroffen worden. Erst kurz vor Weihnachten, nach der Bestellung, sollen erste Gespräche geführt worden sein. Von manchen wird das bezweifelt. Schellhorn war am Donnerstag für den Standard jedoch nicht zu erreichen.
Künstler und Lehrende aus der Akademie der bildenden Künste brachten ihre massive Enttäuschung über das "Verpflanzen" einer auch von der partizipierenden Öffentlichkeit bereicherten Struktur zum Ausdruck. Sie übten Kritik an der Kooperation von Privatwirtschaft und öffentlichem Museum (PPP). Es hätte sie "bestürzt", wenn der Standortverlust ohne Reaktion geblieben wäre, kommentierte Breitwieser. Die Diskussion über PPP-Modelle halte sie für wichtig und angebracht. (Anne Katrin Feßler, Langfassung, DER STANDARD, 24.1.2014)