Es wird Zeit, dass Wiens Bevölkerung erfährt, welch außerordentlich große Gefahr ihr am Freitag droht. Neun Gemeindebezirke wurden zur Gefahrenzone erklärt, große Teile der Innenstadt abgeriegelt, auch Journalisten müssen draußen bleiben. Falls abseits des Akademikerballs in der Innenstadt etwas vorfällt, das mediale Berichterstattung verdient, so sollte das tunlichst im Zeitraum zwischen 20.15 Uhr und 20.45 Uhr passieren - denn nur dann dürfen Journalisten die Sperrzone betreten, und auch dann nur in Begleitung eines Polizeibeamten.

Die große Gefahr, vor der die Bevölkerung mit immensem Aufwand geschützt werden soll, sie wurde immer noch nicht benannt. Nur vage wird angedeutet, von wem sie ausgehen könnte: von jenen Demonstranten, die gegen Rechtsextremismus demonstrieren. Hier ortet die Polizei "Gewaltbereitschaft". Nähere Auskünfte? Sorry, Polizeitaktik! Die Polizei hüllt sich in Schweigen - der Staat vermummt sich.

Bitte um ausführliche Erklärung

Wenn es die Exekutive für nötig erachtet, die Rechte der Menschen, sich frei zu bewegen, sich frei zu versammeln und freie Medienberichterstattung zu genießen, einzuschränken, dann aber bitte mit einer ausführlichen Erklärung, welchem Zweck das alles dienen soll. Ob es umgeworfene Mülltonnen sind, die man befürchtet, oder doch tätliche Angriffe auf Menschen. Ob man also Verletzungen verhindern will - oder doch nur sicherstellen, dass Ballbesucher unverspätet zum Festakt gelangen.

Die Bevölkerung hat ein Recht zu wissen, auf welcher Risikobewertung die Einschränkungen beruhen. Worauf stützt sich die Annahme, dass heuer eine größere Gefahr von den Demonstranten ausgehen wird als im Vorjahr? Es geht hier nicht um detaillierte interne Lageeinschätzungen der Polizei - es wäre schon ein Fortschritt, bekäme man endlich eine präzise Bilanz des Vorjahres: Wie viele der rund 3.000 Demonstranten im letzten Jahr wurden als "gefährlich" eingeschätzt, welche Vergehen wurden konkret geahndet, wie viele gerichtliche Verurteilungen gab es und weswegen? All diese Auskünfte bleiben aus, Anfragen werden abgewimmelt - stattdessen verweist man pauschal auf "außergewöhnliche" Gefahren.

Gegenteil von Deeskalation

Das ist nicht nur undemokratisch, sondern auch taktisch unklug. Gefahrenzone, Sperrgebiet und die Untersagung einer Kundgebung sorgen schon jetzt für Zorn. Das ist das Gegenteil von Deeskalation. Eine aufgeheizte Stimmung tut niemandem gut - weder jenen, die mit gutem Recht demonstrieren wollen, noch den Polizisten und Polizistinnen, die am Freitag Dienst schieben müssen, noch der breiten Masse, die aus der Unzahl der Tretgitter in der Stadt den Schluss ziehen wird, dass uns arges Unheil droht. Nur: welches?

Die Exekutive muss sich erklären. Das gilt nicht nur für die Sicherheitskräfte, sondern auch für die politisch Verantwortlichen. Innenministerin und Gemeinde Wien sollen sich zu den Einschränkungen äußern und sich im Parlament und in den Medien dafür kritisieren oder loben lassen. Sonst riecht es nach Polizeistaat. Das kann jenen, die in Sonntagsinterviews stets das Vertrauen der Bevölkerung wiedererwecken wollen, wohl nicht recht sein. (Maria Sterkl, derStandard.at, 24.1.2014)