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Im Bereich der Homöopathie prallen Meinungen aufeinander.

Foto: APA/Frank Rumpenhorst

Der 18.000-Einwohner-Ort Traunstein in Oberbayern bekommt eine Privatuniversität. Studenten sollen dort ab März Homöopathie auf Hochschulniveau erlernen. 36 Monate dauert die Ausbildung, die jährlich 7.200 Euro kostet und den Teilnehmer nach erfolgreicher Abschlussprüfung den akademischen Grad Bachelor of Science in Complementary Medicine and Management, Vertiefungsrichtung Homöopathie EUH, verleiht. Studierwillige können dann noch zwei Jahre anhängen und mit dem Master abschließen.

"Ich würde mir so eine Homöo-Akademie auch für Österreich wünschen", sagt Erfried Pichler, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Homöopathische Medizin – allerdings unter Anpassung an Bedingungen, die in Österreich rechtliche Voraussetzung sind. Hierzulande ist eine homöopathische Ausbildung nämlich ausschließlich jenen Personen vorbehalten, die über eine ärztliche Approbation verfügen.

Blamage für Deutschland

Die Hochschule für Homöopathie in Oberbayern wird als Steinbeis-Transfer-Institut EUH der privaten Steinbeis-Hochschule Berlin bezeichnet. Die voraussichtliche Leitung übernimmt die Heilpraktikerin Anja Wilhelm. In Deutschland besitzen Heilpraktiker die staatliche Erlaubnis, medizinische Heilkunde inklusive invasiver Eingriffe auch ohne ärztliche Approbation auszuüben. In Österreich ist die Ausübung des Berufes Heilpraktiker sowie die Ausbildung dazu verboten und strafbar.

Von Wilhelms Qualifikation, eine Akademie auf Hochschulniveau zu leiten, ist nicht nur Pichler keineswegs überzeugt. Die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) warnt in einer aktuellen Presseaussendung gar vor einer "Blamage für den Wissenschaftsstandort Deutschland". Und Edzard Ernst, emeritierter Professor für Alternativmedizin an der Universität Exeter, legt noch ein Schäuferl nach: "Hier scheint mir nicht einmal das Minimum von kritischem Denken und akademischer Seriosität erfüllt zu sein".

Dünnes Eis

Der bayrische Landrat Hermann Steinmassl zeigt sich indessen erfreut über die Tatsache, dass Traunstein zum Gesundheitsstandort ausgebaut wird. Von einem Streit mit der Schulmedizin nimmt er deutlichen Abstand. Für ihn gilt: "Wer heilt, hat recht".

Pichler teilt diese Einstellung, solange ein Homöopath primär ausgebildeter Arzt ist. Nach einem evidenzbasierten Beweis für die Wirksamkeit der Homöopathie verlangt es seiner Meinung nach nicht. "Auch die Schulmedizin ist zu 80 Prozent reine Erfahrungsmedizin. Wir bewegen uns also überall auf demselben dünnen Eis", sagt er.

Ernst erforscht seit über 20 Jahren Alternativmedizin mit wissenschaftlichen Methoden und hat hier einen rigorosen Zugang: "Das Motto 'Wer heilt, hat recht' ist nichts anderes als ein Freibrief zur Quacksalberei. Dass sich Politiker hier anschließen, ist ein Beleg dafür, wie wenig sie von evidenzbasierter Medizin begriffen haben". Für die Homöopathie wurde seines Erachtens längst eine evidenzbasierte Beweisführung erbracht – mit einem ernüchternden Ergebnis: "Rund 220 kontrollierte Studien haben ergeben, dass Homöopathika nicht mehr als Placebos sind."

Hochschule auf Heilpraktikerniveau

Die Akademie bewege sich aufgrund dieser Tatsache nicht auf Hochschul-, sondern bestenfalls auf Heilpraktikerniveau, meint dazu Homöopathie-Experte und GWUP-Mitglied Norbert Aust. Die Skeptiker bezeichnen die Hochschule in Traunstein als "akademischen Etikettenschwindel" und appellieren an die zuständige Akkreditierungsagentur, den Antrag auf Akkreditierung der Homöo-Akademie als staatlich anerkannte Hochschule zurückzuweisen.

Auch in Österreich ist die Eröffnung einer Privatuniversität nur mit entsprechender Akkreditierung möglich. Die Agentur für Qualitätssicherung Akkreditierung Austria (AQ Austria) ist dafür zuständig, und aktuell sind zwölf Privatuniversitäten in Österreich staatlich anerkannt.

Anderer Zuständigkeitsbereich

Keine Akkreditierung besitzt die Österreichische Akademie für Kinesiologie und Gesundheit. Trotzdem darf sich ein Student dieser Einrichtung nach erfolgreichem Abschluss des Studiengangs BSc Komplementärtherapie (Vertiefungsrichtung Kinesiologie) auch dort über einen Bachelor of Science freuen.

Achim Hopbach, Geschäftsführer der AQ Austria, sieht den Fall anders gelagert: "Hierbei handelt es sich um einen Studiengang der Steinbeis-Hochschule in Berlin. Ein Großteil der Ausbildung findet in Frankfurt statt, nur ein kleiner Teil in Österreich."

Die private Hochschule, die sich wie erwähnt auch für den Studiengang in Traunstein verantwortlich zeigt, vergibt hier den Bachelor of Science Komplementärtherapie (Kinesiologie). "Für eine Akkreditierung der Akademie für Kinesiologie und Gesundheit ist die AQ Austria nicht zuständig", sagt Hopbach und ergänzt, dass die Angelegenheit in Deutschland geklärt werden müsse.

Ernstzunehmender Bachelor?

Zweifel, ob der akademische Titel Bachelor of Science noch ernstgenommen werden kann, meldet Ernst an: "Derartige Ausbildungen sind extrem bedauerlich – sie entwerten den Bachelor of Science auf allen anderen Gebieten und haben nicht das Geringste mit 'Science' zu tun."

Hopbach verlässt sich in Österreich auf die Wissenschafter der Gutachtergruppe der AQ Austria, die Inhalt, Qualifikationsniveau, Wissenschaftlichkeit und Forschungsqualität eines Studiengangs beurteilen. Dass im Bereich der Homöopathie Meinungen aufeinanderprallen, ist ihm bewusst. Grundsätzlich hält er es aber für möglich, dass eine Homöopathie-Akademie auch in Österreich ihre Pforten öffnet, wenn die "Fachwissenschaft ein positives Votum abgibt". (Regina Walter, derStandard.at, 27.1.2014)