Die Herstellung von Kimchi ist aufwendig und dauert mehrere Tage. Alexander Reisenbichler war dabei

Kimchi bedeutet wörtlich von den beiden chinesischen Schriftzeichen abgeleitet "Gemüse in Wasser einlegen". Als im 17. Jahrhundert Chili in Korea eingeführt wurde, war es eine willkommene Abwechslung zu dem scharfen chinesischen Sichuanpfeffer. Es gibt jedoch auch Kimchi, das überhaupt nicht scharf ist, wie mir eine Bekannte erzählte, deren Eltern aus Nordkorea stammen. Es darf aber nicht mit dem Wasser-Kimchi verwechselt werden, das in Südkorea sehr beliebt ist und bei dem das Gemüse wirklich in einer wässrigen Flüssigkeit eingelegt ist.

Rezepte für Kimchi in Korea gehen bis in das Goguryeoreich (37 v. Chr. bis 668 n. Chr.) zurück – jedoch leider ohne etwas über die Zutaten zu verraten. Erwähnt wurde Kimchi schon im chinesischen Klassiker "Buch von Song" ("Si-kyong") (10. bis 7. vorchristliches Jahrhundert), und der Herstellungsprozess von Kimchi, Kimjang, wurde 2013 von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe erklärt.

Foto: Alexander Reisenbichler

Jedes Jahr im Spätherbst – in den südlichen Gebieten Südkoreas oft erst zur Weihnachtszeit –, wenn literweise Wasser die Dorfstraße hinunterrinnt und ein leicht scharfer Chiligeruch in der Luft hängt, ist wieder Kimjang. Man bereitet scharfes eingelegtes Gemüse – Kohl, Rettich – für ein Jahr vor.

Im Sommer wird der Kohl auf erhöhten Erdrücken angepflanzt, die mit Plastik überzogen werden, um Unkraut fernzuhalten.

Foto: Alexander Reisenbichler

Das ist das Ehepaar Frau Jeong No-suk und ihr Mann Kim Seok-bong, zwei fleißige Bauern. Da sie sehr viel Wert auf gesunde Ernährung legen, verwenden sie keine Pestizide oder Kunstdünger, alles ist organisch. Die meisten Zutaten außer den Meeresfrüchten und Fisch stammen aus eigenem Anbau.

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Der Kohl wird geerntet und in Kisten zu einem Kleinlaster gebracht, mit dem die Ernte zum ungefähr einen Kilometer entfernten Haus transportiert und dort gestapelt wird. Zu sechst haben wir knapp 1.200 Kohlköpfe geerntet.

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Hier an der Hauswand wird der Kohl gestapelt und am nächsten Tag (Tag zwei) in einem Becken mit Salzwasser eingelegt, nachdem der Kohl einmal in der Mitte durchgeschnitten wurde. Während wir uns zu Hause im warmen Bett ausruhen, verbringt der Kohl die Nacht im salzigen Swimmingpool.

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Tag drei: In drei großen Wannen wird der Chinakohl gewaschen und auf einer Plastikfolie schräg aufgestapelt, damit das Wasser abrinnen kann. Die Gewürzpaste, die am nächsten Tag in den Kohl eingerieben wird, würde auf dem nassen Kohl nicht halten, deshalb ist diese Schräglage sehr wichtig.

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Links im Hintergrund sieht man auf einem kleinen Holztisch einige Becher, eine Makkoliflasche (sechsprozentiger fermentierter Reiswein) und einen Topf mit einer warmen Muschelsuppe. Man wird durch reichhaltige Jausen bei guter Laune gehalten, schließlich ist es ziemlich kühl und die Arbeit sehr anstrengend.

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Andere schneiden Rettich, der auch mit einer scharfen Gewürzpaste eingelegt wird. Am Abend wird noch die dunkelrote dickflüssige Gewürzpaste eingerührt, die unter anderem Knoblauch, Rettich, Zwiebeln, Krabben, Garnelen, Ingwer, rohe Austern, eingelegte fermentierte Fische und natürlich viel Chilipulver enthält. Welche Zutaten und wie viel davon verwendet werden, ist von Familie zu Familie verschieden.

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Tag vier: Am letzten Tag treffen wir uns alle schon um 8 Uhr früh. Obwohl wir sehr müde sind, werden die letzten Kräfte mobilisiert. Zur Unterstützung kommen noch zehn Frauen aus dem Dorf. Im Hintergrund unter der Dachrinne hängt Maeju, eine Bohnenpaste, aus der später Dengjang gemacht wird, eine fermentierte Bohnenpastensuppe mit allerlei Gemüse.

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An diesem Tag geht es rund! Links im Bild die rote Gewürzpaste, in der Mitte sitzen einige Damen aus dem Dorf, die die Gewürzpaste in den Kohl reiben, indem sie jedes Blatt einzeln hochheben und es mit der dickflüssigen Paste bestreichen.

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Kim Seok-bong verschickt in Zehn-Kilo-Styroporschachteln fertiges Kimchi an Leute in der Stadt. Später am Abend wird ein Zustelldienst kommen und alle Schachteln abholen, am nächsten oder spätestens am übernächsten Tag wird das scharfe Kimchi in den verschiedenen Haushalten ankommen.

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Während ich mit einer Flasche Bier, Limonade, Makkoli und Soju (20-prozentiger Schnaps aus Reis, Kartoffeln oder Süßkartoffeln) einmal rundum gehe und allen ein Glas zur Stärkung einschenke, erzählen mir die Damen, dass Kimjang früher nur von den Familien selbst durchgeführt wurde.

Aufgrund mangelnder Konservierung konnte man nicht so viel herstellen. Heutzutage gibt es sogenannte Kimchi-Kühlschränke, in denen man mit Kimchi gefüllte Plastikcontainer das ganze Jahr über einlagern kann. In der Mandschurei in Nordostchina ist der Winter viel kälter als hier im Süden, und das Kimchi wird in tönerne Krüge gefüllt und in der Erde bis zum Hals eingegraben.

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Ich bewundere die Ausdauer dieser Damen! In dem Dorf, in dem ich mit meiner Familie lebe, arbeiten auch noch über 80-Jährige auf den Feldern und gehen mit einer Holztrage in den Wald um Feuerholz zu sammeln.

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Während Frau Park noch Rettiche schneidet, machen wir Pause. Rohe Austern werden in frische Kimchiblätter eingerollt und auf einmal in den Mund gesteckt. Gekochtes Schweinefleisch und eine Muschelsuppe stehen auch noch zur Auswahl.

Eine reichhaltige Jause ist bei Gemeinschaftsarbeiten oberstes Gebot. Ständig wird man gedrängt, doch noch ein Glas zu trinken, und auch während des Essens stecken mir immer wieder einige Damen rohe Austern und Kimchiblätter in den Mund.

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Geschafft! Die Aufräumarbeiten können beginnen. Alle sind sehr erschöpft. 400 Liter fassende Wannen mit Wasser werden ausgeschüttet, und das Wasser rinnt die Dorfstraße hinunter.

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Frau Jeong No-suk, die Hausherrin, ist eine exzellente Köchin, die auch im Nachbarbezirk für ihre Kochkünste bekannt ist. Sie hat viele traditionelle Kochkurse in Seoul besucht und bastelt ständig an neuen Rezepten.

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Ein Gedicht namens Kimchi!

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Rettichkimchi!

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Frisches Kimchi schmeckt ein wenig salzig, der saure Geschmack kommt erst später hinzu. Altes Kimchi, das sehr, sehr sauer sein kann, verwendet man zur Zubereitung einer Kimchisuppe oder brät es am Grill, jedoch ist Kimchi, das oft jahrelang aufgehoben wird, eine Spezialität, die man nicht oft zu kosten bekommt.

Es riecht zwar etwas streng, hat aber einen vollmundigen Geschmack. Hier im Hintergrund frisches Gurkenkimchi.

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Es gibt viele verschiedene Kimchisorten. Kimchi fehlt hier bei keinem Essen, ob Frühstück, Mittagessen oder Abendessen.

Jedes Jahr wird auch in der Volksschule Kimchi gemacht, und meine Tochter Lea hat mir erzählt: "Das ist immer sehr lustig! Die Gewürzpaste ist sehr scharf, und wir haben sie anderen Kindern, die keine Handschuhe angehabt haben, auf die Hände geschmiert. Das brennt wie Feuer!"

Foto: Alexander Reisenbichler

Zwei Tage später werden die ganze Berglandschaft und die Häuser in eine weiße Schneedecke gehüllt. Bei einem Glas Makkoli lacht Herr Kim Seok-bong und meint: "Zum Glück haben wir Kimjang schon hinter uns, dieses Mal waren wir schneller als der Schnee!" (Alexander Reisenbichler, derStandard.at, 28.1.2014)

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