Reichelt ist ranghöchster ÖSV-Abfahrer.

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Kitzbühel - Die Herrschaften, die sich am Samstag auf der Streif um den Sieg im wertvollsten Abfahrtslauf des Weltcupwinters bewerben, studierten vor diesem intensiv die einschlägigen Bilder. Schließlich galt es, die Linie zu erforschen, auf der der routinierte Bode Miller (36) im einzigen Training zu einer überragenden Bestzeit gefahren war. Auf einer Strecke, auf der heuer wegen der vorangegangenen Wärme die Hausbergkante, die Traverse und der spektakuläre Zielschuss fehlen, die via Ganslernhang ins Ziel auf der Rasmusleiten führt wie schon 1972 und 1998.

Miller, der insgesamt 33 Rennen in allen fünf Disziplinen gewann und im Vorjahr nach einer Knieoperation pausierte, glückte sein bisher letzter Abfahrtssieg in Beaver Creek Ende 2011. Und der bisher letzte einschlägige Triumph eines Österreichers ereignete sich Ende 2012 in Bormio. Für diesen zeichnete Hannes Reichelt verantwortlich, es war sein erster in der Abfahrt. Viel weiter zurückschauen muss man, um den bisher letzten Österreicher zu finden, der auf der Streif gewann. Michael Walchhofer schaffte das anno 2006.

Das erste Mal

Das war jenes Jahr, in dem sich Reichelt, zuvor eher dem Riesenslalom zugetan, erstmals auf die Streif wagte. "Das erste Mal da runter merkt man sich. Dann zählt man nicht mehr", erzählt der 33-jährige Radstädter. Und was hat er sich gemerkt vom ersten Mal? Reichelt: "Ich bin mit Hans Knauß und Stephan Eberharter in der Godel hinaufgefahren, und sie haben mir sehr schiach vorgeredet. Dann hab ich echt großen Respekt gehabt. Und im Ziel hab ich mir gedacht, Gott sei Dank, ich lebe noch." Reichelt landete auf dem 18. Platz. Und im vergangenen Jahr wurde er Dritter.

Gegenwärtig ist er der ranghöchste unter Österreichs Abfahrern, Zweiter in der Weltcupwertung hinter dem norwegischen Titelverteidiger Aksel Lund Svindal. Zweite Plätze belegte Reichelt zuletzt in Bormio und in Wengen, wo er auf einer stark verkürzten Lauberhorn-Abfahrt den Sieg nur um sechs Hundertstel verpasste. Den trug der Schweizer Patrick Küng davon, und der ist naturgemäß immer noch entzückt, wenn man mit ihm über den Heimsieg auf dem wichtigsten Skiberg der Schweizer plaudert. Küng (30) aus Mürtschen Kerenzerberg im Kanton Glarus hat erst im Dezember beim Super-G in Beaver Creek mit dem Siegen begonnen; Reichelt wurde Dritter und in der Abfahrt ebendort Zweiter.

Didier Cuches Tipp

Für andere mögen die Erfolge überraschend gekommen sein, für ihn, Küng, sind sie das nicht. Schließlich habe er im vergangenen Sommer erstmals seit langem wieder eine verletzungsfreie Vorbereitung absolvieren können und fühle sich bestens in Schuss und bereit für die Streif.

Küng weilt zum fünften Mal in Kitzbühel. Und er erinnert sich auch ganz genau an das erste Mal. 2010 war das, und ehe sein altgedienter Mannschaftskollege Didier Cuche, mit insgesamt fünf Abfahrtssiegen Rekordler auf der Streif, gewann, gab er dem Neuling Küng einen Tipp, der ihn das Fürchten lehrte.

"Er hat mir geraten", erzählt Küng, "dass ich meine Reisetasche im Hotelzimmer gar nicht erst auspacken soll. Dann geht es nämlich viel schneller, dass sie mir ins Krankenhaus nachgebracht wird." Küng landete nicht im Spital, sondern heil im Ziel und auf Platz 46. (Benno Zelsacher, DER STANDARD, 25./26.01.2014)