Franz Steindls Schritt, sich seine neuerliche Spitzenkandidatur für die burgenländische Landtagswahl 2015 durch eine Urabstimmung zu sichern, wurde und wird allseits als "mutig" bezeichnet. Von manchen erleichtert, von manchen – wie etwa dem rivalisierenden Ex-Minister Nikolaus Berlakovich –mit sichtlich geschmolltem Mund. Es ist aber nicht auszuschließen, dass der Schritt des ins innerparteiliche Gerede gekommenen burgenländischen Parteichefs mehr ist als mutig. Nämlich fast tollkühn.

Im Burgenland mag Steindls innerparteilicher Befreiungsschlag ja als die entschlossene Tat des großen Alexander beim Ansichtigwerden des Gordischen Knoten gelten. Die Einstimmigkeit des Beschlusses zur Urabstimmung im Landes-Parteivorstand zeigt zumindest, wie sehr die Verschwörer auf dem falschen Fuß erwischt wurden. (Auf welchen Steindl sie durch sein zögerliches Herumeiern um seine Wiederkandidatur gelockt habe, munkelt so mancher.)

Bundesweit könnte die pannonische Vorgangsweise sich allerdings als eine Art Büchse der Pandora erweisen. Denn was Franz Steindl und seine Verbündeten im Burgenland wie in einem Laboratorium versuchen, ist, der klassischen VP-Doppelmühle zu entkommen. Die Urabstimmung hebelt den bisherigen Einfluss der Bünde aus, da mag der pannonische Wirtschaftsbund-Obmann Peter Nemeth noch so sehr die Bedeutung der Parteigremien beschwören.

Das Burgenland ist ein bundesweites Fliegengewicht, in der schwarzen Reichshälfte noch mehr als in der roten. Wenn aber am 27. April die Urabstimmung mit hoher Beteiligung über die Bühne gegangen sein wird, wird das Echo wohl auch im Kleinen Walsertal noch zu vernehmen sein. Modelle lassen sich halt nicht ihrer Vorbildfunktion entkleiden. Ist die Katze einmal aus dem Sack, beginnt das Mausen.

Die Urabstimmung wird bei künftigen innerparteilichen Fisimatenten – Und ist die Geschichte der ÖVP nicht eine Geschichte innerparteilicher Fisimatenten? – immer auch eine Option sein. Egal wo. Egal zu wem. Egal, welcher Reset-Knopf gerade gedrückt wird. Eine Option ist das aber jenseits der sechs Bünde und neun Landesorganisationen. Sollten die aber ihren Einfluss wirklich verlieren, dann ist auch die Volkspartei – deren Anspruch es ja stets war, die Gesellschaft in einer Art ständischem Puppenhaus in aller Breite abzubilden – endgültig Geschichte.

Dann wird eintreten, was viele Beobachter seit langem prophezeien: dass es die ÖVP in ihre dann nicht mehr verknüpfbaren, interessengeleiteten Bestandteile zerlegt. Das aber wäre dann nicht mehr bloß eine parteiinterne Fisimatenz. (Wolfgang Weisgram, derStandard.at, 26.1.2014)