Bild nicht mehr verfügbar.

Laut Edward Snowden betreiben die USA auch Wirtschaftsspionage.

Foto: AP

Washington/Berlin/Moskau - Die Wirtschaftsspionage des US-Geheimdienstes NSA ist ein offenes Geheimnis - nun nannte der Informant Edward Snowden in einem Interview mit dem NDR ein konkretes Beispiel für Deutschland.

"Wenn es etwa bei Siemens Informationen gibt, die dem nationalen Interesse der Vereinigten Staaten nutzen - aber nichts mit der nationalen Sicherheit zu tun haben - dann nehmen sie sich diese Informationen trotzdem", sagte Snowden in dem Fernsehinterview.

Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter hatte mit seinen Enthüllungen erstmals öffentlich gemacht, wie die NSA weltweit Telefonate abhört, E-Mails mitliest und Regierungschefs ausspäht, darunter auch das Handy der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Russland hat Snowden vorläufiges Asyl gewährt. Eine Rückkehr des 30-Jährigen in die USA, die ein Festnahmeersuchen gestellt haben, scheint vorerst ausgeschlossen.

Snowden spekuliert in dem Interview darüber, dass nicht nur das Handy von Kanzlerin Merkel abgehört wurde. "Die Frage ist: Wie logisch ist es anzunehmen, dass sie das einzige Regierungsmitglied ist, das überwacht wurde?", sagte Snowden. "Ich würde sagen, es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass jemand, der sich um Absichten der deutschen Regierung sorgt, nur Merkel überwacht - und nicht ihre Berater, keine anderen bekannten Regierungsmitglieder, keine Minister oder sogar Angehörige kommunaler Regierungen."

"Regierungsvertreter wollen mich töten"

Im Gespräch mit dem NDR-Journalisten Hubert Seipel berichtete der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter von deutlichen Drohungen: "Regierungsvertreter wollen mich töten", sagte der 30-Jährige. Als Beleg führte Snowden einen Artikel auf der Internet-Plattform "buzzfeed" an. Mitglieder des Pentagon und der NSA hätten dem Reporter erzählt, dass sie Snowden umbringen wollten.

Die USA werfen Snowden Geheimnisverrat vor. Deshalb droht dem Informanten im Fall einer Rückkehr in seine Heimat eine strafrechtliche Verfolgung. US-Justizminister Eric Holder sagte der "Washington Post", dass ein Gnadenerlass für den in Russland gestrandeten Computerspezialisten nicht infrage komme. Ohne Amnestie fürchtet Snowden jedoch ein unfaires Gerichtsverfahren und hält eine Heimkehr deshalb für unmöglich, stellte er in einer Online-Fragerunde klar.

Holder stellte vergangene Woche in einem Interview mit dem Sender MSNBC klar, für Lösungen in der Causa Snowden offen zu sein. "Wenn Herr Snowden in die Vereinigten Staaten kommen und ein Schuldbekenntnis abgeben wollte, würden wir uns mit seinen Anwälten auseinandersetzen", sagte Holder.

Hoffen auf Einigung mit den USA

Snowden hofft indes auf eine Einigung mit den Behörden seines Heimatlandes. Er sitze zwar nicht ständig am Telefon und warte, sagte Snowden. "Trotzdem würde ich die Gelegenheit begrüßen, darüber zu reden, wie wir diese Sache auf eine für alle Seiten befriedigende Weise zu Ende bringen können", betonte Snowden laut einer Übersetzung des NDR.

Auf US-Präsident Barack Obama setzt er seinen Worten zufolge dabei wenig Hoffnung. "Es ist bezeichnend, dass der Präsident sagt, dass ich mich vor einem Gericht verantworten soll, auch wenn er weiß, dass so ein Prozess nur ein Schauprozess wäre."

Nur der US-Präsident selbst sei in der Lage, die weltweit kritisierte massenhafte Überwachung der US-Geheimdienste zu stoppen. "Die National Security Agency untersteht allein dem Präsidenten. Er kann ihr Vorgehen jederzeit beenden oder eine Veränderung einleiten", betonte Snowden in dem Fernsehinterview.

"Werde mich nicht einschüchtern lassen"

Snowden sieht im amerikanischen Anti-Spionage-Gesetz aus der Zeit des Ersten Weltkriegs, auf das sich seine Anklage bezieht, ein entscheidendes rechtliches Hindernis. Unter den derzeitigen Gesetzen zum Schutz von Whistleblowern könne er nicht geltend machen, bei seinen spektakulären Enthüllungen rund um den US-Geheimdienst NSA im öffentlichen Interesse gehandelt zu haben. "Ich bin mir dessen bewusst, dass mein Leben direkt bedroht ist, aber ich werde mich davon nicht einschüchtern lassen", schrieb Snowden auf der Unterstützer-Website freesnowden.is.

Snowdens Zukunft ist damit weiterhin völlig ungewiss. Sein Jahresasyl in Russland läuft im August aus. Nach einem CNN-Bericht könnte Moskau die Aufenthaltsgenehmigung verlängern. Diese Entscheidung liegt letztlich bei Präsident Wladimir Putin. Russland hatte die Bitten der USA, Snowden zu überstellen, mehrfach abgelehnt. (APA, 27.1.2014)