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Europäische Staaten haben mit strengen Gesetzen gegen Schlepperei reagiert. Ein Wiener Flüchtlingshelfer muss sich bald wegen  "Gutheißen der Schlepperei" vor Gericht verantworten.

Foto: EPA/ITALIAN NAVY

Die Abschottung Europas und die Kriege sowie die sozialen Unruhen in anderen Teilen der Welt haben der Schlepperei eine Konjunktur verschafft, sie in den Mittelpunkt des Interesses gerückt.

Niemand flüchtet freiwillig aus seiner Heimat. Doch die Flucht nach Europa ist aufwändig und risikoreich: Menschen, die sich daheim in Todesgefahr befinden, die starken Repressionen ausgesetzt sind oder schlicht nichts zum Leben haben, sind dazu allermeist auf Schlepper angewiesen. Auf Schlepper, die oft von krimineller Energie und Profitgier, vielfach aber auch von Nachbarschaftshilfe und humanitären Überlegungen motiviert sind.

Strenge Gesetze

Die europäischen Staaten haben darauf mit strengen Gesetzen gegen die Schlepperei reagiert. Mit Gesetzen, die nicht nur die Bewerkstelliger der inoffiziellen Grenzübertritte an sich, sondern auch einfache Schlepper-Hilfestellungen unter Strafe stellen.

Und mehr noch, zumindest in Österreich, wie sich jetzt, als eine strafrechtliche Premiere, am Beispiel Michael Genners zeigt, des Obmanns der Flüchtlingsberatungsorganisation Asyl in Not: Weil er auf der Asyl-in-Not-Homepage vergangenen August einen radikal formulierten Artikel über "Schlepper und Lumpen" veröffentlicht hat, wird er am 6. Februar in Wien vor Gericht stehen: Wegen Gutheißung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach Paragraf 282/2 StGB, was bis zu zwei Jahre Haft einbringen kann.

Explizite Worte

Was hat Genner geschrieben, sodass die Staatsanwaltschaft Wien ihn als einen Schlepper-Propagandisten sieht? Mit für ihn nicht untypischen, expliziten Worten hat er eine Unterscheidung zwischen verbrecherischer Schlepperei sowie Fluchthilfe getroffen - und seine Meinung dazu kundgetan.

Viele Menschen kämen auf dem Weg nach Europa ums Leben weil sie "keine guten Schlepper" fänden, schreibt Genner. Und, ja, es gebe auch "Schlepper, die Verbrecher sind. Die ihre Leute elendig sterben lassen. Oder Frauen auf den Sklavinnenmarkt liefern. Zuhälter und Mörder!".

"Ehrliche Schlepper"

Doch vor jedem "ehrlichen Schlepper" habe er Achtung: Vor jenen, die "saubere Arbeit" machten, ihre "Kunden sicher aus dem Land des Elends und Hungers, des Terrors und der Verfolgung" herausführten, die sie "sicher" hereinbrächten, "den Grenzkontrollen zum Trotz, in unser 'freies Europa'", habe er "Achtung". Dieser sei ein "Dienstleister", der eine "sozial nützliche Tätigkeit" verrichte und "dafür auch Anspruch auf ein angemessenes Honorar" habe.

Letzteres, also alles ab dem Ausdruck "ehrliche Schlepper", sieht die Staatsanwaltschsaft Wien als strafwürdiges Gutheißen der Schlepperei an. Die Formulierungen seien geeignet, "das allgemeine Rechtsempfinden zu empören oder zur Begehung einer solchen Handlung aufzureizen" – wie es Paragraf 282/2 besagt. Dass Genner durchaus auch von "verbrecherischen" Schleppern schreibt, änderte an dieser Einschätzung ebenso wenig wie der Umstand, dass es sich bei diesem Text um einen online veröffentlichten Artikel handelt.

Strafwürdige Polemik?

Wie weit darf eine Polemik in derlei Texten gehen? Und: Ist es wirklich strafwürdig, darauf hinzuweisen, dass es heute, neben mafiösen Schleppersyndikaten, auch so etwas wie freiwillige, private Fluchthilfe gibt? So wie es sie historisch in Europa zur Zeit des Nationalsozialismus gab, nur dass damals Abertausende weg von hier mussten – und heute alles daransetzen, um herzukommen. Das sind die Fragen, die angesichts dieser Anklage zu stellen sind. Das Gericht wird sie so oder so beantworten. (Irene Brickner, derStandard.at, 26.1.2014)