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Philip Jennings, Chef des Gewerkschaft-Weltverbands Uni Global Union, lobt beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos Österreich: Die Sozialpartnerschaft sei eine Stärke des Landes, weil Konflikte zwischen Unternehmen und Arbeitgebern effizient gelöst würden, sagte er zum STANDARD.

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STANDARD: Sie wirken wie ein einsamer Kämpfer in Davos. Was ist Ihr Eindruck vom Treffen heuer?

Jennings: In den vergangenen vier Jahren war die Wirtschaftselite in einem Krisenmanagementmodus. Jetzt gibt es Zeichen der Erholung, und man besinnt sich wieder auf die Realwirtschaft.

STANDARD: Wie stellen Sie das fest?

Jennings: Der Risikobericht des WEF identifizierte soziale Spannungen, Arbeitslosigkeit und die Ungleichheit als Hauptprobleme für die globale Wirtschaft. Vergangenes Jahr ist es um die Rettung des Euro, die Verhinderung von Bankenzusammenbrüchen und Regulierungsfragen gegangen.

STANDARD: Wiederholt wurde ein neuer Sozialvertrag gefordert. Was heißt das konkret?

Jennings: Das bedeutet gute Nachrichten für Österreich. Dort sind soziale Institutionen in Kraft, die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen an einen Tisch bringen. Diese schauen auf Arbeitnehmerqualifizierung, die Schaffung von Jobs und Einkommensfragen. Sie sind in dem Bereich weit vor anderen Ländern. Die Sozialpartnerschaft ist eine Stärke Österreichs.

STANDARD: Es gibt aber andere Meinungen: dass die Sozialpartnerschaft das Land lähme. Ist für Sie Österreich damit Vorbild?

Jennings: Die Länder, die die Krise gut gemeistert haben, hatten gute soziale Institutionen. Dazu gehören Österreich, Deutschland und die Schweiz. Das wird zu einem Wettbewerbsvorteil für Österreich: Stabilität. Österreichs Tradition des sozialen Dialogs macht das Land zum Weltführer. Viele sagen sicher auch, das ist kein Wettbewerbsvorteil. Die Rechten haben keine Agenda und machen nur Migranten für die Arbeitslosigkeit verantwortlich. Es gibt jedoch keine Diamanten oder Ölvorkommen, aber soziale Verantwortung. Gewerkschaften und Unternehmer sind daran gewöhnt, miteinander zu sprechen. Das ist ein Vorteil im Vergleich zu anderen Ländern.

STANDARD: Jugendarbeitslosigkeit wurde in Davos sehr häufig als größtes Problem genannt, konkrete Konzepte dagegen aber fehlten.

Jennings: Auf der Ebene der G-20-Staaten arbeiten wir mit der Politik zusammen. Wir fordern mehr Bildung und Training. Die Jugendarbeitslosigkeit ist immer höher als die allgemeine Arbeitslosigkeit. Aber auch hier schlagen sich Österreich, Deutschland und die Schweiz besser, weil sie bessere Systeme etwa bei der Lehrlingsausbildung haben.

STANDARD: Sie haben hier in Davos von einer "beschäftigungslosen Wirtschaftserholung" in Europa gesprochen. Was bedeutet das?

Jennings: Wenn man sich einen Wirtschaftszyklus anschaut: Früher dauerte es nach einer Rezession 15 Monate, bis man wieder den Beschäftigungsstand wie vorher hatte. Jetzt dauert das viel länger. Die Wirtschaft erholt sich, der Arbeitsmarkt nicht.

STANDARD: Wie sollten Politiker Ihrer Meinung nach reagieren?

Jennings: Nach den EU-Wahlen werden wir einen dramatischen Rückschlag sehen: gegen Brüssel und die Eliten. Das ist auch gegen die Sparpolitik, gegen die Troika gerichtet. Wir befürchten einen Rechtsruck. Jeder fragt sich nach den Gründen: In den USA profitieren ohnehin nur die Reichsten ein Prozent. Generell haben die Löhne der Arbeiter mit der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung nicht Schritt gehalten, und deshalb lahmt die Nachfrage. Außerdem investieren Unternehmer nicht, und es gibt auch noch die Schuldenbremse der Politik. Das führt zu Arbeitsplatzverlusten.

STANDARD: Glauben Sie, dass die deutsche Kanzlerin Merkel plötzlich fürs Schuldenmachen eintritt?

Jennings: Angela Merkel ist jetzt in einer Koalition mit der SPD. Ich habe volles Vertrauen in die Fähigkeiten meiner Freunde auf der Linken, dass sie Frau Merkel beeinflussen können: Der Mindestlohn ist ein guter Start. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, 27.1.2014)