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Britische Militärbasen und die UNO-Pufferzone auf Zypern.

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Ein britischer Jet landet auf der Militärbasis Akrotiri auf Zypern.

Foto: REUTERS/Yiannis Nisiotis

Verkehrsinseln geben dem Automobilisten Sinn und Struktur und werden üblicherweise elegant umfahren, wohingegen das Drehkreuz gewollt allen Verkehr auf sich zieht und – so es denn funktioniert – schön wieder in neue Richtungen verteilt. Zypern wäre in seiner Geschichte gern eine Verkehrsinsel gewesen, um die eroberungslüsterne Kapitäne und Seekarten-studierende Paschas geschwind einen Bogen machen, und ein profitables Drehkreuz nur für Geschäftsleute und andere kunstsinnige Menschen ohne Krummsäbel und Kampfhubschrauber. Doch eine grüne Insel im östlichen Mittelmeer, zwischen Europa und arabischer Welt, wird schnell einmal Durchgangsstation oder Auftankbasis: für Kreuzritter und imperiale Armeen, für Flüchtlinge und amerikanisch-britische Lauschvereine.

Zypern hat diesen Monat seine Funktion als militärisches Drehkreuz neu justiert, was nicht viel Aufsehen erregt hat, aber doch nicht unwichtig ist: Die russische Regierung kann in Zukunft den Luftwaffenstützpunkt der zypriotischen Streitkräfte in Paphos, an der Westküste der Insel, gleich neben dem kleinen zivilen Flughafen des Villen- und Urlauberorts nutzen. Darauf einigten sich Anfang Jänner der zypriotische Verteidigungsminister Fotis Fotiou und das russische Außenministerium. Ob und wie viel Moskau dafür zahlt, ist nicht bekannt geworden. Politisch ist die Abmachung sensibel, und wäre sie noch unter dem früheren linken Präsidenten Dimitris Christofias (2008-13), der zu Sowjetzeiten in Moskau studiert hatte, zustande gekommen, hätte es wohl einen Aufschrei auf der Insel gegeben und kritische Kommentare von der NATO in Brüssel; dort ist Zypern zwar nicht Vollmitglied, aber Teil des Programms "Partnership for Peace".

Die russische Marine kann nun auch dauerhaft den Hafen in Limassol nutzen, was sie regelmäßig und zuletzt ohnehin immer öfter zum Betanken ihrer Kriegsschiffe tat. Der Grund für das russisch-zypriotische Abkommen ist natürlich der Krieg in Syrien. Nur 200 Kilometer sind es vom EU-Land Zypern bis zur syrischen Küste. In Tartus, im südlichen Teil der Küste, hat Russland seine einzige Marinebasis im Mittelmeer; Berichte über eine anstehende Räumung der Basis wegen der Gefechte zwischen Regierung und Rebellen hat Moskau immer wieder einmal zurückgewiesen. Trotzdem hilft der russischen Marine ein sicherer zweiter Anlaufpunkt auf Zypern. Der Hafen in Limassol soll, ebenso wie der Luftwaffenstützpunkt Andreas Papandreou in Paphos, der russischen Armee für humanitäre Hilfstransporte und für andere Notfälle zur Verfügung stehen, so heißt es zumindest in den Erklärungen des zypriotischen Verteidigungsministers. Lagerung und Stationierung von Waffen soll es nicht geben.

Eine ähnliche Vereinbarung für Paphos hat die zypriotische Regierung 2007 mit Frankreich getroffen. Die Öffnung der Luftwaffenbasis für Russland und die Dauernutzung des Hafens in Limassol kommen aber auch zu einem Zeitpunkt, wo es Berichte über eine Zunahme von Moskaus Waffenlieferungen an das syrische Regime gibt. Denkbar ist, dass Waffen und Munition auch auf dem Umweg über Zypern nach Syrien verschifft werden.

Zyperns konservativer Präsident Nicos Anastasiades hat wiederum diesen Monat eine schon von seinem Vorgänger betriebene Änderung für die beiden britischen Militärstützpunkte auf der Insel unter Dach und Fach gebracht. Hier geht es um die Nutzung der nichtmilitärischen Gebiete innerhalb der Zonen, denn die SBAs (Sovereign Base Areas) sind ein Kapitel für sich: insgesamt 254 Quadratkilometer britisches Überseegebiet unter Herrschaft der Königin, verwaltet von Militärkommandeuren und mit zypriotischen Dörfern als Enklaven.

Das Stückchen Großbritannien hat sich die britische Regierung ausbedungen, als sie Zypern 1960 in die Unabhängigkeit entließ. 54 Jahre später setzte Anastiasiades seine Unterschrift unter ein Abkommen, das er historisch nannte: „Die Rechte der Bewohner der Stützpunkte sind wiederhergestellt, und die Bedürfnisse der Gemeinden und der örtlichen Bevölkerung bezüglich ihres Lands und ihres Eigentums werden wahrgenommen.“ Rund 8000 Zyprioten und 7500 britische Soldaten mit ihren Familien leben in den Stützpunkten Akrotiri, dem südlichsten Zipfel der Insel bei Limassol, und Dhekelia, östlich von Larnaka. Man kann zwar ohne Probleme mit öffentlichem Bus und Auto durch die Mini-Überseegebiete fahren, doch für jene Zyprioten, die unter der britischen Fuchtel geblieben sind, stand die Zeit weitgehend still. Für so ziemlich alles gab es Auflagen. Nun werden mehr als drei Viertel der Flächen zur wirtschaftlichen Entwicklung freigegeben: für Häuserbau, Straßenbau, neue Investitionen, vornehmlich in den Tourismus.

Der britische Abhördienst GCHQ und sein großer amerikanischer Bruder NSA waren da schon sehr viel schneller: Sie modernisierten ihre Lauschtechniken auf Zypern und zapften die Unterseekabel an, um den Datenverkehr aus dem Nahen Osten zu verfolgen, so geht aus den Snowden-Dokumenten hervor. Die Hälfte der Ausgaben für die britischen Abhöranlagen auf der Insel zahlt laut einer im November 2013 veröffentlichten Zeitungsrecherche die NSA, insbesondere für die Lauschstation Ayios Nikolaos in der Basis Dhekelia, gewissermaßen das heilige Ohr der Angelsachsen. So ist das eben, wenn man Drehkreuz ist und nicht stille Verkehrsinsel. (Markus Bernath, derStandard.at, 27.1.2014)