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Keine Götter in Weiß - auch Ärzte können sich irren.

Foto: ERproduction/Corbis

Der Fall machte zuletzt Schlagzeilen: Bei einem steirischen Autohändler wurden im Rahmen einer Krebsbehandlung Infusionen verwechselt, der Mann fiel ins Koma und starb. Es ist kein Einzelfall. Immer wieder kommt es in Krankenhäusern zu Fehlern, ausgerechnet an einem Ort, wo es ums Gesundwerden geht.

Eine aktuelle Untersuchung der deutschen Krankenkassen hat ergeben, dass es bei einem Prozent aller Spitalsbehandlungen zu Fehlern kommt. Das sind 188.000 Behandlungsfehler pro Jahr, in zehn Prozent aller Fälle sterben Patienten. Konkret sind es 18.800 Menschen, etwa fünfmal so viele wie Tote wie im Straßenverkehr. Legt man die Zahlen auf Österreich um, wären das rund 19.000 Fehler und 1.900 Tote. Genaue Daten gibt es nicht - zumindest offiziell.

Offiziell bekannt

"Es gibt nur Schätzungen. Die deutschen Werte dürften aber auch für Österreich relevant sein", bestätigt Gesundheitsminister Alois Stöger im Gespräch mit dem Standard. Man sei sich der Problematik bewusst. "Das ist ein sehr wichtiges Thema, und wir arbeiten hier auch mit den Krankenhäusern schon länger intensiv an Verbesserungen", versichert der Minister.

Genaue Informationen will er nicht geben. Es gehe hier nicht darum, Fehlerquoten öffentlich zu diskutieren oder die Beschäftigten in den Krankenhäusern pauschal zu belasten, sondern präventiv Qualitätsverbesserungen herbeizuführen, um möglichst viele Fälle zu verhindern.

Vermeidbare Fehler

Denn tatsächlich wären Fehler häufig vermeidbar, erklärte in Deutschland Max Geraedts, der Leiter des Instituts für Gesundheitssystemforschung der Universität Witten/Herdecke und Mitherausgeber des aktuellen Reports. Als Beispiel nannte er einen Patienten, der eine Medikamentenallergie erleidet, von dieser Allergie wusste, aber vorher nicht dazu befragt wurde.

Auch Hygienemängel, die zu entzündeten Operationswunden führen, seien vermeidbar. Einige Krankenhäuser achteten aber nach wie vor nicht auf ausreichende Händedesinfektion, mahnte Geraedts. Jährlich erleiden rund vier Prozent der Patienten eine Krankenhausinfektion, etliche sterben in der Folge. Ein weiteres Problem sind Resistenzen gegen Antibiotika und damit die Anfälligkeit für gefährliche Krankenhauskeime.

Zugeben statt vertuschen

Die Autoren des deutschen Reports forderten die Spitäler auf, Mitarbeiter zu sensibilisieren, Fehlerberichtssysteme zu nutzen und damit eine Fehlerkultur zu etablieren. Ähnlich argumentiert auch der Sprecher der heimischen Patientenanwälte, Gerald Bachinger. Er pocht darauf, eine interne Qualitätstransparenz zu schaffen und daraus laufend zu lernen.

"Wir haben ein Projekt zur bundesweit einheitlichen Messung von Ergebnisqualität im Krankenhaus ins Leben gerufen", so Stöger. Aus Routinedaten würden dabei statistische Auffälligkeiten für definierte Krankheitsbilder in einzelnen Krankenanstalten identifiziert. Betrachtet werden dabei in erster Linie Sterbe- und, Intensivhäufigkeiten, Komplikationen, Mengeninformationen, Operationstechniken sowie Versorgungs- und Prozessindikatoren.

Fehlerkultur statt Sündenbocksuche

Stöger: "Das sind Daten, die es bereits routinemäßig gibt. Das System analysiert statistische Auffälligkeiten und die Gründe dafür. Wir versuchen anhand von Qualitätsparametern, die Ergebnisse zu verbessern. Dazu gibt es ausgewählte Fachleute, die dann auch Parameter und Abläufe vergleichen und in die Bundesländer gehen, um mit den Verantwortlichen zu reden und Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen." Auf Wunsch der Kliniken gebe man Benchmarkinformationen auch schon direkt an Krankenhäuser und Abteilungen weiter.

A-IQI (Austrian Inpatient Quality Indicators) heißt das Projekt. In einem ersten Schritt sollen die Krankenanstalten nach den Gründen der Abweichungen von den Zielbereichen suchen. Können die statistischen Auffälligkeiten nicht erklärt werden, wird mittels einer Fremdanalyse und im kollegialen Dialog - einem sogenannten Peer-Review-Verfahren - nach deren Ursachen gesucht. Aufbauend auf dieser Analyse, werden gemeinsam zwischen externen, speziell für diese Aufgabe geschulten Primarärzten und den Verantwortlichen der jeweiligen Krankenanstalt qualitätsverbessernde Maßnahmen erarbeitet.

Was Patienten davon haben

"Das ist sicher der richtige Weg zu Qualitätsverbesserungen", gibt Patientenanwalt Bachinger dem System recht, "weil nach der Erhebung der Qualitätsdaten das Herzstück beginnt, nämlich das Peer-Review-Verfahren." Erstmalig könnten Peers von außerhalb in die Abteilungen direkt reinschauen und dort Verbesserungsvorschläge machen.

Für die Orientierung der Patienten sei das aber noch viel zu wenig, kritisiert er und ortet noch einen sehr dichten "Schleier der Intransparenz".

In Deutschland könnte über spezielle Listen die Behandlungsqualität einzelner Kliniken auch bereits eingesehen werden. So können Patienten nach der Zahl der Routineeingriffe beziehungsweise der Fehler und Nachbehandlungszahlen entscheiden, wo sie sich therapieren lassen wollen. Auch Fallzahlen werden veröffentlicht. Letztere wiederum kann man auch in Österreich im Spitalskompass bereits im Internet abrufen.

Zu wenig Personal

Die Ärztekammer, die sich beim nichtöffentlichen Fehlermeldesystem Cirs beteiligt, ortet in den Ressourcen ein Problem. Fehler würden vor allem passieren, weil der Kostendruck auf das Personal steige und auch immer weniger Personal zu Verfügung stehe, kritisierte zuletzt der Wiener Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres bei Protesten des AKH-Personals gegen die Kürzung von Nachtdiensten. (Martin Schriebl-Rümmele, DER STANDARD, 28.1.2014)