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"Ohne Rücksicht auf Verluste laufen"

Foto: AP/Bandic

Wilmington/Wien - Was er in Sotschi wirklich vorhat, wird Viktor Pfeifer erst etwas später loswerden. Was er in Sotschi nicht vorhat, das verrät Österreichs seit Jahren bester Eiskunstläufer gleich zu Beginn des Gesprächs. "Im Kurzprogramm stürzen, das hab ich sicher nicht vor." Zuletzt ist ihm genau das bei der EM in Budapest passiert, der Sturz, noch dazu bei einem relativ einfachen Sprung, dem dreifachen Lutz. "Mit der Kür war ich sehr zufrieden, ich hab viel Aufmerksamkeit erregt." Letztlich kam Rang 14 heraus, und beim Preisrichtermeeting nach dem Wettkampf wurde Pfeifers läuferische Technik mehrmals als positives Beispiel unterstrichen. "Das hat mir sehr geschmeichelt."

Das Laufen ist sein großes Plus, beim Springen hapert es dafür. "Mir fehlen die Höchstschwierigkeiten. Das ist der Grund dafür, dass ich es nicht ganz nach vorn schaffe." Immerhin hat er mittlerweile einen Vierfachsprung (Toeloop) im Repertoire. Ohne gelandeten Vierfachen, davon geht der Feldkircher aus, werde man in Sotschi kaum eine Chance auf eine gute Platzierung haben. Er umreißt, wie sich das Eiskunstlaufen binnen vier Jahren entwickelte. Der US-Amerikaner Evan Lysacek sei 2010 in Vancouver ein "Olympiasieger ohne Vierfachen" gewesen. Und heuer? "In Sotschi werden alle zumindest einen Vierfachen probieren. Alle dreißig, die dabei sind." Der Weg zu Olympiagold, prophezeit Pfeifer, werde über drei oder noch mehr Vierfache führen.

Konstanz und Studium

An Pfeifers Sprungkraft wird sich nicht mehr allzu viel ändern. Er ist 26 Jahre alt, das ist kein schlechtes Wettkampfalter. "Aber das zarteste Alter ist es auch nicht mehr." Immerhin vollendet er, was das Dabeisein betrifft, in Sotschi den olympischen Hattrick. 2006 in Turin ist er auf Rang 22, 2010 in Vancouver ist er auf Rang 21 gekommen. Es gibt nicht viele aktive Läufer, die sich derart lange halten konnten. Pfeifer führt den Russen Jewgenij Pluschenko und den Franzosen Brian Joubert an, die in Sotschi jeweils zum vierten Mal olympisch laufen. Und er schätzt, dass er selbst diesbezüglich mit dem Tschechen Tomas Verner, auf einem geteilten dritten Rang liegt. "Darauf bin ich stolz. Es ist schwer, sich derart lange auf Topniveau zu halten. Da braucht es über ein ganzes Jahrzehnt viel Einsatz und Konzentration."

Ob er sich auch in Österreich gehalten hätte, diese Frage kann Pfeifer nicht beantworten. Er jedenfalls hat Österreich den Rücken gekehrt, lebt und trainiert seit 2006 in Wilmington im US-Bundesstaat Delaware. Nebenbei hat er Finanzwissenschaften studiert, das ist sein zweites Standbein. Dabei drohte das erste Standbein schon wegzubrechen. 2008 und 2009 lief es sportlich gar nicht nach Wunsch, Pfeifer verlor alle Förderungen, dachte ans Aufgeben. "Ich hatte gar kein Geld mehr, hab ein halbes Jahr lang bei einem Freund auf dem Sofa geschlafen." Damals begann er auch zu coachen, "um mir etwas zum Essen kaufen zu können". Was ihm übrig blieb, sparte er, dann setzte er das Ersparte auf ein halbes Jahr Training. "Es war ein großes Risiko, aber das Risiko ist aufgegangen." Als Coach hat er nun eine richtige Leistungsgruppe beisammen, aus der ein 13-Jähriger heraussticht - Peter Liu belegte bei den US-Meisterschaften den vierten Rang in seiner Altersklasse. "Ich hab", sagt Trainer Pfeifer, "als Trainer ein gutes Händchen."

Wo Viktor Pfeifer, der mit einer Eistänzerin aus Detroit liiert ist, einmal landen wird? "Ich kann mir vorstellen, in beiden Ländern zu leben, in den USA und in Österreich." Momentan denkt er bis und an Sotschi. Er will "ohne Rücksicht auf Verluste laufen", die Top 20 wären "toll". Und was er sich wirklich vornimmt? "Ich nehme mir vor, darauf eine bessere Antwort zu finden als jene, dass ich den Moment genießen will." (Fritz Neumann, DER STANDARD, 28.01.2014)