Vielseitige Jazzkunst: Gitarrist Wolfgang Muthspiel.

Foto: Rainer Rygalyk

Wien - Der jazzigen Sessionsituation wohnt eine schwärmerische Erwartung inne: Treffen einander Musiker (unbelastet von Probenarbeit) und lassen spontan das Besondere geschehen. Das kann gutgehen, muss aber nicht. Besser, man tastet zuvor ab, ob die Reflexe zueinander passen, ob ein gemeinsamer Musikatem existiert.

Gitarrist Wolfgang Muthspiel hat die Verwandtschaft der Reflexe mit seinen ins Konzerthaus geladenen Gästen schon zur Genüge abgetestet. Der tunesische Oud-Spieler und Sänger Dhafer Youssef war sein Partner auf der CD Glow. Und mit dem norwegischen Pianisten und Elektroniker Bugge Wesseltoft hat Muthspiel reichlich konzertiert. Das Schöne, im Mozartsaal zu hören: Es hat sich im Laufe der Bekanntschaft Routine im lähmenden Sinne nicht eingenistet; die gemeinsame Musiziererfahrung der letzten Jahre führte eher zu einer Vertiefung des gegenseitigen Verständnisses.

Muthspiel begleitet Youssef behutsam nicht nur bei dessen vokalen Exaltationen, die im Falsettbereich einzigartige Intensität erreichen. Er kommuniziert auch mit dem Oud-Spieler Youssef in einer formal freien Art, die zu delikaten Momenten spontaner Kammermusik führt. Immer wieder landet das Duo bei unvorhersehbaren Pointen, was nur durch blindes Verständnis möglich scheint.

Von einer orientalisch gefärbten Stilistik, die allerdings auch mühelos zu Bossa-gefärbter Melodik wandern kann, wechselte Muthspiel mit Bugge Wesseltoft in jazzig-poppige Bereiche. Wesseltoft verfügt über ein Tastenvokabular, das freie Improvisation ebenso spannend macht wie Improvisationen über markige Riffs oder simple Akkordfolgen. Und wenn Paul Desmonds Take Five angestimmt wird, gerät das Kommunizieren in diesem 5/4-Takt-Energiefeld zum Fest der improvisatorischen Eingebungen. Dann legt auch Muthspiel so prägnant wie klangsensibel los und produziert markante Aphorismen.

Insgesamt ein Abend der Offenheit: Elton John (Come Down in Time) wird ebenso als Vorlage eingesetzt wie die Beatles. Und schließlich erinnert Wesseltoft an seine elektronische Seite und überzieht die Kollegen (am Ende präsentiert man sich als Trio) mit Geräuschen, errichtet quasi ein Labor der Musikdekonstruktion, das für Muthspiel dann auch keine Irritation darstellt. (Ljubiša Tošic, DER STANDARD, 29.1.2014)