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Peter Tappler: "Österreichische Lösung" rächt sich.

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Wann wird in hiesigen Wirtshäusern ausgedämpft? Wenn der Nichtraucherschutz weiterhin so schleißig umgesetzt wird, wohl noch lange nicht.

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Anfang Dezember war die Katze aus dem Sack: Eine Studie zeigte, dass 99 Prozent der untersuchten Raucher-/Nichtraucherlokale in einem Wiener Bezirk nicht die Vorgaben des Tabakgesetzes von 2008 zum Nichtraucherschutz erfüllen. Rund ein Drittel der Raucherlokale hat zudem eine zu große Fläche und müsste sofort auf Nichtraucherbetrieb umstellen.

Der Nichtraucherschutz in Lokalen, ein einziges Chaos: Rauchersheriffs decken die Behörden mit zigtausenden Anzeigen ein, Messungen zeigen, dass Nichtraucher und Beschäftigte auch durch Abtrennungen im Lokal nicht geschützt werden und unsere Jugendlichen rauchen mehr als je zuvor - sie sind Spitzenreiter in Europa. Die Beteuerung der Wirtschaftskammer (WKÖ), dass es eine friedliche Koexistenz gäbe, hat sich als grobe Irreführung der Öffentlichkeit herausgestellt.

Die Gastwirte drohen indes - mit wenigen Ausnahmen - auf der Strecke zu bleiben. Diejenigen, die viel Geld in Abtrennungen von Raucherbereichen investiert haben, können derzeit zusehen, wie die "Schmutzkonkurrenz", die einfach alles so weiterlaufen hat lassen wie bisher und keinen Cent in den Nichtraucherschutz gesteckt hat, ihnen das Wasser abgräbt. Nun rächt sich, dass die wohlmeinenden Vertreter der WKÖ ausgezeichnete Lobbyarbeit geleistet haben und damit einen funktionierenden Vollzug des Tabakgesetzes verhindern - kurz: auf augenzwinkernde "österreichische Lösungen" setzen.

Klagen erwartet

Es ist zu erwarten, dass bald die ersten Klagen wegen unlauteren Wettbewerbs bei den Wirten einlangen, denn das Wettbewerbsrecht ist eine viel schärfere Waffe als das Tabakgesetz. Über allem kreist das EU-weit zu erwartende absolute Rauchverbot in Gastgewerbebetrieben unter dem Titel Arbeitnehmerschutz. Wer möchte da schon investieren?

Was ist nun die Antwort der Regierung? Statt mutig das Notwendige zu tun, wird wieder eine hasenherzige Reparatur des Tabakgesetzes stattfinden - aber nicht in Richtung Nichtraucherschutz, sondern im Gegenteil: Man darf wieder durch Raucherbereiche schreiten, wenn man das Lokal betritt oder auf das WC muss. Die Schwierigkeiten werden mit diesem Kniefall vor den Gastwirten aber keinesfalls gelöst, bis zu einer vernünftigen Lösung werden die bösen Geister permanent von unten an die Decke klopfen.

Eine derartige "Reparatur" wäre nicht nur gesundheitspolitisch ein katastrophales Signal, sie würde Österreich endgültig zur europäischen Lachnummer punkto Nichtraucherschutz machen. Eine flächendeckende Nichteinhaltung des Tabakgesetzes vermittelt vor allem die demokratiepolitisch zersetzende Botschaft, dass es über einen längeren Zeitraum ungestraft möglich ist, Gesetze vollständig zu ignorieren. Vergleichbar wäre dies etwa mit einem Finanzminister, der offen und ungestraft die Steuer hinterziehen würde.

Der Gesetzgeber hat folgende Möglichkeiten:

  • Reparatur der Bestimmung, wonach ein Durchschreiten von Raucherbereichen wieder erlaubt wird, keine sonstigen Maßnahmen. Angesichts der sonstigen Verstöße gegen das Tabakgesetz wäre das das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt wird.
  • Eine funktionierende Kontroll- und Vollzugsinstanz einrichten. In diesem Fall müssten geschätzte 50 Prozent der derzeitigen Raucher- oder Mischbetriebe auf Nichtraucherbetrieb umstellen oder erhebliche Investitionen tätigen. Ein hoher Verwaltungsaufwand aufgrund unklarer Regelungen ist zusätzlich zu erwarten.
  • Von der Türkei, Italien oder Irland lernen Vollständiges Rauchverbot in der Gastronomie ohne Übergangsfristen mit den Vorteilen einer Gleichbehandlung aller Betriebe im Sinne des Wettbewerbs und zum Schutz des Personals.

Eine rein ökonomische Berechnung ergibt, dass es billiger wäre, den Wirten die getätigten Investitionen, die sie aufgrund der tatsächlich völlig unklaren Gesetzeslage tätigten, abzulösen als den derzeitigen Zustand zu prolongieren. Zu Buche schlagen dabei vor allem die spürbare Senkung des Verwaltungsaufwandes sowie die zu erwartende deutlich Verringerung von Lungenkrebs- und Herz-Kreis-Kauferkrankungen.

Lasst uns von Ländern wie der Türkei oder Italien lernen, wie man mutige und zukunftsweisende Entscheidungen trifft, die Gelegenheit wäre derzeit sehr günstig. (Peter Tappler, DER STANDARD, 29.1.2014)