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Demo-Sanitäter.

Foto: REUTERS/Thomas Peters

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Mit religiösen Gesängen wappneten sich Anhänger der Opposition am Dienstag in Kiew für neue Proteste. Dem Tauwetter nach dem Rücktritt der Regierung und der Rücknahme der Demonstrationsgesetze trauen sie nicht.

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Premier Nikolai Asarow trat zurück.

EPA/SERGEY DOLZHENKO

Regierungschef zurückgetreten, antidemokratische Gesetze zurückgezogen, Opposition Regierungsbeteiligung angeboten: Das ist das Angebot, das der ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch seinen politischen Gegnern, der parlamentarischen Opposition und den hunderttausend Demonstranten, die seit Monaten im ganzen Land gegen seinen autoritären Kurs auf die Straße gehen, macht.

Doch die Ukrainer wollen mehr. "Ich gehe hier nicht weg, bevor nicht auch Präsident Janukowitsch sein Amt aufgibt und es zu freien und fairen Neuwahlen kommt", sagt Andreij von der NGO Democratic Alliance. So wie er fordert der Großteil der Demonstranten den Rücktritt des verhassten Präsidenten.

Balanceakt

Für die Opposition ist es ein Balanceakt. Arseni Jazenjuk lief am Vormittag blass und nervös durch das Foyer des ukrainischen Parlaments. Seitdem Präsident Janukowitsch ihm und Witali Klitschko Samstag Regierungsämter angeboten hat, steht der Fraktionschef von Timoschenkos Vaterlandspartei unter Druck. Seit Dienstag ist der Posten des Premiers vakant. Nikolai Asarow trat samt Kabinett zurück. Dieses bleibt im Amt, Asarow wird vorübergehend durch seinen Stellvertreter Sergej Arbusow ersetzt, der als enger Vertrauter von Präsident Janukowitsch gilt.

Witali Klitschko hat in einer Reaktion auf seine Bestellung eine Teilnahme an der neuen Regierung noch einmal ausgeschlossen. Eine für den Nachmittag geplante Parlamentssitzung zur Amnestie für Demonstranten wurde zunächst verschoben.

Die Regierung will eine schnelle Lösung. Neben dem Rücktritt Asarows kassierte das Parlament am Vormittag die umstrittenen Gesetze, die am 16. Jänner, mit der Mehrheit der Regierungsfraktion verabschiedet wurden. Rund 100 vorwiegend ältere Demonstranten protestierten zu Mittag vor dem Parlament für die Regierung. "Der Präsident war großzügig, jetzt ist es Zeit, nach Hause zu gehen", fordert Marina, eine Pensionistin aus der südukrainischen Stadt Nikolaijew.

Forderungen

In der Institutska-Straße, einer wichtigen Verbindung im Regierungsviertel, begannen Bauarbeiter medienwirksam Betonbarrikaden abzumontieren. Der Abgeordnete Wjatscheslaw Kirilenko von der Vaterlandspartei der inhaftierten Expremierministerin Julia Timoschenko warnt aber vor verfrühtem Optimismus: "Wir sollten die Angebote der Regierung sorgfältig prüfen". Es gäbe Forderungen, die für die Opposition unerfüllbar sind und bleiben.

Noch deutlicher wurde die Tochter Timoschenkos, Jewgenija. Ihre Mutter hat den Fraktionsmitgliedern ihrer Partei unmissverständlich klargemacht, dass die Mehrheit der Ukrainer einen kompletten Wandel wollen. Die einzige Perspektive für ein besseres Leben und eine sichere Zukunft böte Europa, doch den Weg dahin, habe Präsident Janukowitsch abgebrochen.

Ihre Mutter sei sich sicher, dass Janukowitsch einmal mehr versucht, seine Verhandlungspartner ins Abseits zu stellen. Diese Taktik habe er immer wieder angewandt, auch die Europäer bekamen sie zu spüren. Nachdem drei Jahre lang intensiv über die Unterzeichnung eines umfangreichen Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union verhandelt wurde und der Präsident bei jeder Gelegenheit betonte, er wolle die Unterschrift und den Weg Richtung Europa, sagte er Ende November kurzfristig ab.

"Wir befinden uns auf Messers Schneide", sagt ein Vertreter der Präsidentenpartei, er will seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen. Er gehört zu rund 50 Abgeordneten, die von dem Multimilliardär Rinat Achmetow, dem reichsten Mann der Ukraine, kontrolliert werden. Dieser hatte in den vergangenen Tagen mehrfach gefordert, die Krise gewaltfrei zu lösen. Am Dienstag hat die von ihm kontrollierte Gruppe einen kleinen Aufstand gegen den Präsidenten gewagt: Man werde den Vorlagen der Regierung nur zustimmen, wenn jeder Mandatsträger mit funktionierenden Geräten eigenhändig abstimmen könne, hieß es. (Nina Jeglinski aus Kiew, DER STANDARD, 29.1.2014)