Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Diese Erfahrung Michail Gorbatschows muss nun auch einer seiner "Erben" in der Ex-Sowjetunion machen. Ukraines Premierminister Nikolai Asarow bietet seinen Rücktritt an, "um eine friedliche Regulierung des Konflikts zu ermöglichen". Die Entscheidung ist richtig, sie kommt aber reichlich spät, möglicherweise zu spät für Präsident Wiktor Janukowitsch.

Vor zwei Monaten hätten die Demonstranten den Rücktritt der Regierung als Sieg gefeiert. Damals hatte das Kabinett das Assoziationsabkommen mit der EU eine Woche vor der geplanten Unterzeichnung platzen lassen – viel zu spät, um ohne Gesichtsverlust aus der Angelegenheit herauszukommen. Hätte Janukowitsch damals Asarow und dessen nach der blutigen Niederschlagung der zunächst noch friedlichen Proteste verhassten Innenminister Witali Sachartschenko als Bauernopfer aufgegeben, dann hätte sich der ukrainische "Monarch" mit einer Regierungsrochade in Sicherheit bringen können.

Doch Janukowitsch spielte auf Zeit, wollte die Proteste aussitzen und seine Gegner dann mit einem überraschenden Flankenmanöver, dem umstrittenen Demo- und Pressegesetz, mattsetzen. Doch die Initiative ist längst an die Gegenseite übergegangen, wie die Aufgabe einer Position nach der anderen verdeutlicht. Der Opposition aber reicht der Bauer nun nicht mehr, sie will den König. (André Ballin, DER STANDARD, 29.1.2014)