Die Posen gleichen sich stärker, als das den Gegnern lieb sein kann: Nach den Ausschreitungen beim Protest gegen den von der FPÖ veranstalteten "Akademikerball" in Wien gibt es auf beiden Seiten nur Opfer. Rechte bis rechtsextreme Protagonisten, die selbst für aggressive Ausgrenzung stehen, stilisieren sich zu Verfolgten, denen Tugendterroristen vom Tanzbeinschwingen bis zur Umvolkungsdebatte alles Gesinnungstreue verbieten - und haben im Kampf um die pathosbeladenste Märtyrerrolle harte Konkurrenz bekommen. Der grüne Parteinachwuchs, bei den Demos dabei, klagt nach einer Kopfwäsche durch die Parteispitze: Da ließen sich aufrechte Antifaschisten von der Polizei hauen - und bekommen dann auch noch eine von der Chefin auf den Deckel.

Das Lamento ist nicht nur dick aufgetragen, sondern zeugt auch von partieller Ignoranz gegenüber den Tatsachen. Ja, es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass die Polizei zur Eskalation beigetragen hat. Videos und Augenzeugen entlarven Beamte, die offenbar nach gewaltfreien Provokationen losgeschlagen haben. Grosso modo wirkten die Ordnungskräfte überfordert und unprofessionell, vielleicht war auch nackte Lust am Prügeln dabei - all das gehört schonungslos untersucht. Doch einem faschistoiden Schlägertrupp standen die Demonstranten nicht gegenüber.

Was Jungfunktionär Cengiz Kulaç, der für die Parteijugend spricht, und seine Kollegen außerdem unterbelichten: Es gab eine ziemlich unheroische Seite der Proteste. Ein "schwarzer Block" vermummter Gestalten hat randaliert, Schaufenster eingeschlagen, eine Polizeistation angegriffen. Zwar haben sich die jungen Grünen von den Übergriffen distanziert, doch die Parteispitze hat ihren Verdacht, dass im Unterbau eine klammheimliche Sympathie für derartige Gewaltakte schwelt, nicht aus der Luft gegriffen. Immerhin war auf einer Webseite der Vorfeldorganisation dank freundlicher Duldung zu den Demos die Parole "Unseren Hass, den könnt ihr haben" zu lesen.

Man kann nun lang und breit diskutieren, ob dieser Satz einen Aufruf zur Gewalt transportiert; wer Rechtsextreme hasst, schlägt ihnen nicht zwangsläufig gleich den Schädel ein. Faktum ist aber, dass der schwarze Block die Parole höchst angriffslustig auslegt - und sie in Wien per Transparent vor sich hergetragen hat. Allein das sollte reichen, um nicht anzustreifen.

Grünen-Chefin Eva Glawischnig hat angemessen scharf reagiert - auch aus Parteiräson. Obwohl längst domestiziert, hat die einstige Protestbewegung ewig gebraucht, um in den Augen breiter Wählerschaften aus dem Chaoteneck zu finden; die aktuelle Debatte wirft sie zurück. Dabei geht es nicht um irgendwelche Spießer, die eh nie grün wählen: Wie Reaktionen auf Facebook und Twitter zeigen, reicht das Unbehagen weit in die eigene Klientel hinein.

Zu Recht fordert Glawischnig eine Garantie, jeglichen Anschein einer Liebäugelei mit Gewalt zu vermeiden - und grüne Homepages entsprechend zu kontrollieren. Die Jungen Grünen wären gut beraten, Aufmüpfigkeit nicht mit Dummheit zu verwechseln und den Wunsch zu erfüllen. Alles andere schadet der Sache, die sie zu vertreten vorgeben. Jeder Anklang an Aggression macht es FPÖ und Co leicht, die vielen friedlichen Demonstranten zu verunglimpfen, die für etwas Ehrenvolles eintreten: dass ein rechtsextrem durchseuchter Aufmarsch nichts in der Wiener Hofburg verloren hat. (Gerald John, DER STANDARD, 29.1.2014)