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Die Beziehung zwischen dem erkrankten Menschen und dem pflegenden Angehörigen ist häufig von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt, in der Vieles unausgesprochen bleibt, meint Klaus Hönig.

Foto: apa/dpa/Waltraud Grubitz

Wien/Ulm – Der Pflegebedarf eines geliebten Menschen bringt sowohl für den Erkrankten als auch für den Pflegenden massive Veränderungen mit sich. "Dennoch entscheidet sich ein Großteil der Menschen in Österreich dafür, ihre Angehörigen selbst zu pflegen oder zumindest bei ihrer Pflege mitzuwirken", sagt die Vorsitzende der Volkshilfe Wien, Erika Stubenvoll.

Studien haben gezeigt, dass der oder die Pflegende oft gleiche oder sogar höhere Werte psychischer Belastung zeigt als der Kranke selbst. "Bedeutsame psychosomatische Symptome finden sich bei pflegenden Angehörigen in 15 bis 50 Prozent der Fälle", erklärt Klaus Hönig, Leiter der Konsiliar- und Liaisonpsychosomatik der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm.

Im Vergleich dazu leiden 20 bis 30 Prozent der an Krebs erkrankten Patienten an psychischen Störungen, wobei die Zahlen mit fortschreitender Erkrankung ansteigen. Gemeinsam mit der Universität Leipzig erforscht Hönig, inwieweit sich die psychische Bewältigung von Krebserkrankungen auf die Beziehung zwischen dem Erkranktem und dessen Partner sowie den Behandlungsverlauf selbst auswirkt. "Dabei haben wir festgestellt, dass die Qualität der gemeinsamen Krankheitsbewältigung von Patienten und pflegenden Angehörigen eine zentrale Rolle für den Krankheits- und Behandlungsverlauf des Pflegebedürftigen spielt und somit auch die psychische Gesundheit der Pflegenden zunehmend in den Blick gerät", so Hönig.

Hilfe annehmen

Der Experte rät dazu, Alarmsignale wie Gereiztheit, Ängste, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Erschöpfung und sozialen Rückzug zu beachten. Ärzte, die den Erkrankten behandeln, nähmen derartige Belastungen bei pflegenden Angehörigen oft nicht ausreichend wahr: "Wenn die Anzeichen auftreten, hat die psychische Belastung jedoch schon ein Ausmaß angenommen, bei dem ich dazu rate, psychosoziale Beratung, Begleitung oder auch psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen", sagt Hönig.

Die Empfehlung des Experten: Die Pflegenden sollten auf jeden Fall spürbar entlastet werden. Dies leiste etwa die sogenannte "Brückenpflege", also die zeitweise Pflege durch ausgebildete Kräfte. Auch Psychosoziale Beratungsstellen und Psychoonkologische Dienste bieten Unterstützung an.

Sprachlosigkeit

Ein Grund für die psychische Belastung von Pflegenden sei dem Experten zufolge häufig ein Mangel an Kommunikation: "Der Patient will nicht zur Last fallen und der Pflegende möchte dem Patienten nicht das Gefühl geben, eine eben solche zu sein. Daraus entsteht ein Netzwerk gegenseitiger Rücksichtnahme, in dem Vieles unausgesprochen bleibt."

Eine klare und deutliche Artikulation der eigenen Wünsche und Bedürfnisse, aber auch Belastungen könne dieser Sprachlosigkeit entgegenwirken. Entscheidend sei laut Hönig, dass der Pflegende sein eigenes Leben nicht gänzlich zurückstelle, denn das helfe auch dem Erkrankten nicht. "Die Krankheit darf das Leben des Pflegenden nicht dominieren. Es ist wichtig, die eigene Belastung wahrzunehmen, sich Ruhezeiten zu gönnen und dafür auch aktiv Unterstützung einzufordern", sagt Hönig. (red, 29.1.2014)