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Die Chinesen müssen weniger ballern.

Foto: Reuters/Kyung-Hoon

Chinesen verballern zum Frühlingsfest Feuerwerk aus vollen Rohren. Sie wollen nach alter Tradition und Legende die bösen Geister des alten Jahres in die Flucht treiben. Doch zu diesem neuen Jahr des Pferdes, das in der Nacht auf heute, Freitag, begonnen hat, rief die Kommunistische Partei ihr Volk zum Waffenstillstand auf – wenn nicht gar zur Kapitulation. Sie will es nicht mehr krachen lassen. Pekings Bürger rieben sich die Augen, als sie in der Tageszeitung Beijing Daily der Hauptstadt auf der Titelseite den diesbezüglichen Aufruf der Parteiführung lasen. Die forderte ihre Organisationen in der Metropole auf, dieses Jahr vom Knallen abzulassen. Parteimitglieder müssten mit gutem Vorbild vorangehen.

Die KP hat die Nase voll vom Pulverdampf. Ihr Appell richtete sich an die rund zwei Millionen Parteimitglieder Pekings und damit an jeden zehnten Stadtbewohner. Die wahren Feinde seien nicht umherschwirrende Geister des alten Jahres, sondern die erstickende Konzentration an Feinstaubpartikeln in der Luft. Die Rauchschwaden des Feuerwerks machten sie noch schlimmer. Im Dezember wurden bei der durch Kohleheizung und Autoabgase verpesteten Luft Pekings negative Rekordwerte gemessen. Zugleich klagten 80 Prozent aller Städte des Landes über Dauersmoglagen.

Zwei Wochen Feuerwerke

In China dürfen die Bürger traditionell zwei Wochen lang bis zum Ende des Frühlingsfestes am 14. Februar das alte Jahr wegknallen. Das chinesische Meteorologische Amt soll ihnen nun einen Riegel vorschieben. Es wird täglich die Smogwerte nach vier Stufen eines neuen "Feuerwerk-Index" unterteilen.

Bei den Stufen eins und zwei darf der Bürger Feuerwerk zünden, soll sich aber einschränken. Ab der Stufe drei oder ab einer Konzentration von mehr als 300 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft gibt das Amt Alarm, schrieb die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Über SMS würden die Bürger aufgefordert, nicht mehr zu knallen. Verstärkte Polizeistreifen würden die Einhaltung kontrollieren.

Zum Frühlingsfest 2013 durften die Pekinger noch mehr als 810.000 Kisten Feuerwerk verballern. Doch in der das Jahr der Schlange beendenden Silvesternacht stiegen die innerstädtischen Feinstaubwerte auf mehr als 1000 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Die Weltgesundheitsorganisation WTO hält Werte über 25 Mikrogramm für gesundheitlich bedenklich.

In China kommt ein permanent extrem verschmutztes Umfeld mit Smog hinzu. Er ist eine der Folgen der forcierten und wildwüchsigen Industrialisierung, Modernisierung und Motorisierung Chinas. Die Behörden haben dieses Jahr 1178 Feuerwerksbuden zugelassen, fast 150 Stände weniger als im Vorjahr. Auch sollen sie nur noch 620.000 Kisten Feuerwerk zum Verkauf erhalten.

Während die gesamte übrige Welt in Kater- und Krisenstimmung verfiel, ließen es die Pekinger immer lauter krachen. Zu Neujahr 2008 wurden in der Hauptstadt 540.000 Kisten verfeuert. Bis 2012 kletterte der Index auf 950.000 Kisten, erst 2013 wurde das Angebot wegen Brandgefahren reduziert – auf 810.000 Kisten. Die alten Geister werden nur noch mit gebremster Kraft vertrieben. (Johnny Erling, DER STANDARD, 31.1.2014)