Es waren acht unvergessliche Jahre: Das Blitzen der damals noch einheitlich silbernen Brackets, die schlaffreien Nächte dank Headgear, das freundliche "Da kommt der Blitzableiter" der Mitschüler. Dazu noch der schmerzhafte Abschied von den Weisheitszähnen und die blutige Trennung vom Lippenband ("Wenn Sie das Lippenbändchen belassen, können sich die Schneidezähne nicht zusammenschieben").

Nein, Zahnspangen-Jahre sind nicht die besten Jahre in einem jungen Leben. Und als Erwachsener stellt man sich in Momenten der kieferorthopädischen Einkehr die Frage: acht Jahre? Entweder hatte man ein Gebiss wie ein Lattenzaun nach einem Tornado, oder der Zahnarzt hat einfach "gründlich" gearbeitet. Aber sei's drum: Hauptsache, heute ist alles gerade. Auch dank eines finanziellen Kraftakts der Eltern.

Heute ist sowieso alles anders: die Spangen sind transparent und das gesundheitspolitische Füllhorn offensichtlich voll. Gesundheitsminister Stöger hat im Wahlkampf Biss gezeigt: eine Gratis-Zahnspange bis zum 18. Geburtstag. Ein bedenkliches Wahlkampfzuckerl: Die kieferorthopädische Vollversorgung für alle Schieflagen im Kindermund wird nicht zu finanzieren sein. Dennoch: Als Politiker in wirtschaftlich schlechten Zeiten eine "Der Staat zahlt alles"-Mentalität an den Tag zu legen ist grob fahrlässig. Wer gut oder sehr gut verdient, muss nicht zwingend für seine Kinder auf eine staatlich finanzierte Spange zurückgreifen – und dazu auch nicht die Möglichkeit haben. Hilfe für jene, die tatsächlich (finanzielle) Hilfe brauchen – das müsste der gesundheitspolitische Ansatz sein.

Auch der Zusatz, dass nur jene Kinder eine Gratisspange bekommen, die sie aus medizinischer Sicht auch brauchen, macht den Beschluss nicht besser. Wo zieht man die Grenze? Reicht ein schiefer Schneidezahn – oder braucht es eine massive Kieferfehlstellung? Diese Entscheidung wird allein dem behandelnden Arzt überlassen. Einheitliche Qualitätskriterien fehlen. Fakt ist aber, dass ein überwiegender Teil der kieferorthopädischen Behandlungen der Ästhetik und nur zu einem geringen Prozentsatz der Verbesserung der Funktion dient. (Markus Rohrhofer, derStandard.at, 31.1.2014)