Ein Spiel, auf das nach wie vor viele warten: Ein neues Zelda in HD.

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Nintendo-Chef Satoru Iwata hält an der bisherigen Strategie des Konzerns fest, die eine Veröffentlichung von Spielen für Plattformen anderer Hersteller nicht vorsieht. Ein Fehler?

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In den vier Jahrzehnten, in denen Nintendo bereits Videospiele herstellt, hat der japanische Konzern mit "Super Mario", "Zelda", "Pokémon" oder "Donkey Kong" die mitunter bedeutendsten Marken der Branche kreiert und jüngere wie ältere Fans für sich gewonnen. Dahinter steht ein beispielhafter Drang zur Perfektion, der die Handschrift des bekanntesten Entwicklers unserer Zeit trägt: Shigeru Miyamoto. Er und seine Teams wissen um das Ansehen ihrer Werke Bescheid, weshalb sich die Spiele durch einen Feinschliff auszeichnen, den sich viele andere Hersteller nicht leisten wollen. So hat der Fortsetzungskönig das Kunststück vollbracht, mit jeder neuen Iteration seiner Helden ihre Bekanntheit zu vergrößern und die Popularität über Generationen zu halten. Eine Leistung, die in der Games-Industrie Seltenheitswert hat.

Auf und ab

Während man bei Spielen mit Ausnahme weniger Ausreißer konsequent brillierte, sieht es am Heimkonsolenmarkt anders aus. Nach den Hits NES und SNES verlor man mit dem N64 und dem Gamecube im Handumdrehen die Marktführerschaft an die aufstrebende Konkurrenz. Die Wii wiederum wurde ein Bestseller, doch mit der Ende 2012 erschienenen Nachfolgerin Wii U droht dem Konzern erneut einen Ladenhüter produziert zu haben. Das hat viele Gründe: Technisch ist die Konsole am Stand der vorangegangenen Generation, ebenso Nintendos Online-Netzwerk. Gravierender noch: Der innovative Tablet-Controller treibt den Preis in die Höhe ohne dabei die erhoffte Begeisterung bei den Konsumenten auszulösen. Kurzum: Den Status seiner Spiele kann Nintendo bei seinen Heimkonsolen nicht halten.

Für den Konzern ist dies in zweierlei Hinsicht eine Misere: Denn Einerseits lohnt sich die Produktion von Konsolen aufgrund der niedrigen Margen erst bei hohen Absatzzahlen. Andererseits limitiert die geringe Nachfrage den Markt für die hauseigenen Spiele, da Nintendo nur die eigenen Plattformen beliefert. Ein Fehltritt wie eine Wii U kommt daher so teuer, dass es die gesamte Bilanz in den roten Bereich zieht, aus dem Nintendo seit nunmehr zwei Jahren nicht mehr herauskommt. Für das laufende Geschäftsjahr wurde abermals ein mehrstelliger Millionenverlust prognostiziert.

Hausgemachte Misere

Es ist eine Misere, die hausgemacht ist und eine Frage aufdrängt: Weshalb sieht Nintendo nicht von seinem bisherigen Geschäftsmodell ab und öffnet seine Spiele auch für andere Systeme und Plattformen? Die stärksten Argumente dagegen: Eine eigene Konsole zu stellen hat den Vorteil, mehr Kontrolle auch über die Software-Entwicklung zu haben und - aus wirtschaftlicher Sicht wichtiger - von Spielherstellern Lizenzgebühren einnehmen zu können, wenn diese ihre Werke auf Nintendo-Konsolen veröffentlichen wollen.

Letzteres kann ein lukratives Geschäft sein. Allerdings nur dann, wenn die eigene Plattform auch von Drittherstellern beliefert wird. Und hier hat Nintendo spätestens seit Ende des Wii-Zyklus massiv mit rückläufigem Interesse zu kämpfen. Die niedrige Nachfrage nach der Wii U hat das Problem noch verstärkt: Große Herausgeber und einst wichtige Partner wie Electronic Arts, Activision, Take 2 und zunehmend auch Ubisoft lassen mit ihren Produktionen die Wii U aus - der Entwicklungsaufwand rechnet sich nicht.

Neue Chancen ergreifen  

Doch genau wie die Dritthersteller könnte sich Nintendo selbst aus dem Sumpf ziehen, in dem man alternative, wachsende Systeme ins Auge nimmt. Denn während man sich an der Alles-Exklusiv-Strategie festklammert, lässt man sich ein Milliardenpublikum entgehen, das auf PC, Smartphones, Tablets oder anderen Konsolen spielt. Ein Milliardenpublikum, das mit Sicherheit nur zu gern an Nintendos Genialität teilhaben würde und den Konzern im Handumdrehen in die schwarzen Zahlen zurückholen könnte.

Warnende Stimmen erinnern an Segas Verfall, der auch mit dem Ausstieg aus dem Konsolengeschäft nach dem Scheitern des Dreamcast, nicht aufgehalten werden konnte. Doch Nintendos Voraussetzungen sind gänzlich andere. Der Hersteller hat nicht nur weit stärkere Eigenmarken in seinem Portfolio als "Sonic" und ist von Familienspielen bis zu Action-Adventures sehr breit aufgestellt. Auch steht das Unternehmen trotz Serienverlusten finanziell hervorragend da, was es unabhängig macht.

Mut zum Experimentieren  

Die Wii und die rückläufige aber nach wie vor lukrative Handheld-Sparte (DS, 3DS) haben den Cash-Polster auf mehrere Milliarden Dollar anwachsen lassen, wodurch es also keinen Grund für ein übereiltes Handeln gibt. Im Gegenteil: Nintendo hat den Luxus, etwas ausprobieren zu können.

So ist man nicht gezwungen, das Konsolengeschäft von heute auf morgen aufzugeben. Doch was spräche dagegen, parallel dazu neue Strategien zu verfolgen? Weshalb bietet man nicht im ersten Schritt DS- oder N64-Klassiker für iOS- oder Android-Geräte an oder nutzt die kreativen Ressourcen dazu, den nächsten Free2Play-Megahit zu produzieren? Anstelle dessen verkommen heute viele vermeintliche Perlen Nintendos im Regal, weil das Unternehmen großartig unterhaltende Minispielsammlungen vom Schlage "Nintendo Land" wie vor fünf Jahren - bevor App Stores den Casual-Gaming-Markt aufrollten - in ein Vollpreisprodukt für 40 bis 60 Euro packt. Konzepte wie "Mario Chase" oder "Luigi's Ghost Mansion" sind auf der Wii U heute nicht mehr als Beipackware. Angemessen bepreist für ein paar Euro hätten sie auf Tablets, Steam oder als Download für PlayStation und Xbox das Potenzial, echte Chartstürmer zu werden.

Verschenktes Potenzial

Allein im jüngsten "Super Mario 3D World" stecken mehr witzige Ideen, als in jedem "Angry Birds"-Teil, der in den vergangenen Jahren erschienen ist. Doch während das neue "Super Mario" von "nur" 1,7 Millionen treuen Fans auf der Wii U gezockt wird, spielen 260 Millionen Menschen weltweit Schweineabschießen. Natürlich lassen sich Vollpreistitel nicht mit 99-Cent-Werken in einen Topf werfen. Doch anstatt neue Wege zu erkunden, wiederholt Nintendo gebetsmühlenartig seine Jahrzehnte alten Geschäftsmodelle und versteckt seine Geniestreiche hinter Plattformen, die leider immer weniger Menschen interessieren, anstatt sie zu Gold zu machen.  

Nintendo hat einen Pool an Designern, die vor visionären Ideen nur so sprühen, aber nicht dazu befähigt sind, über den Tellerrand zu blicken. Man stelle sich vor: "Mario Party" für iPads, "F-Zero HD" für Xbox Live, ein "Pokémon"-MMO für PC oder ein neues "Zelda" mit moderner Technik auf PlayStation 4 - wer würde da nein sagen?

Hardware verliert an Stellenwert

Nintendos jetziges Verhalten deutet auf Schadensbegrenzung hin und auf Abwarten, bis der nächste Konsolenwurf glückt. Das ist legitim. Und wenn es aus der Firmengeschichte etwas zu lernen gibt, dann die Weisheit, dass man Nintendo niemals unterschätzen sollte. Allerdings befinden wir uns heute in anderen Zeiten, als es etwa in der düsteren Stunde des Gamecubes der Fall war. Der Hardware-Markt als solches ist dabei, an Bedeutung zu verlieren.

Die Gamesbranche steht vor einem Wandel von physischen Produkten hin zu Download-, Streaming-Inhalten und plattformunabhängigen Online-Diensten. Das geschieht nicht über Nacht, doch bezeichnend dafür ist, wie die anderen Konsolenhersteller Sony und Microsoft ihre Angebote immer enger um ihre mächtigen Online-Netzwerke schnüren. Gleichzeitig zeigt die Telekombranche, wie flüchtig Hardware geworden ist. Menschen wollen auf ihre Daten, Videos, Spiele, Fotos und Musik von immer mehr Geräten aus zugreifen können und irgendwann werden sie sich gar keine Gedanken mehr darüber machen wollen, ob das neue Rennspiel nur mit dieser Konsole oder nur auf dem PC oder nur mit diesem Smartphone spielbar ist. Und Spielhersteller versuchen heute schon so breit und plattformunabhängig wie möglich aufgestellt zu sein. 

Zukunft nicht verschlafen

Gewiss ist vieles davon noch Zukunftsmusik und Nintendo-Konsolen werden nicht von heute auf morgen bedeutungslos werden. Doch von allen Herstellern scheint jener japanische Konzern, der einst den Sprung von Spielkarten (!) auf Spielkonsolen schaffte, die Zeichen der Zeit dieses Mal am langsamsten zu deuten.

Als Fan Nintendos einzigartiger Spiele kann man nur hoffen, dass die so träge wirkende Firmenspitze rund um Satoru Iwata entgegen aller Befürchtungen bereits am Ausbau ihrer Online-Infrastruktur oder an einer cleveren Multiplattformstrategie schmiedet oder an dem nächsten großen Überraschungshit, den niemand erwartet hätte. Zu wünschen wäre es dem Traditionskonzern und dessen treuer Anhängerschaft in jedem Fall. Denn die Zukunft wartet nicht, aber sie ist bereit für Nintendos nächsten großen Weckruf. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 1.2.2014)

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